1 Iliosakralgelenke, Beckenstellung und funktionelle Beinlängendifferenzen
1.1 Anatomie und Biomechanik der Iliosakralgelenke
1.2.1 Hypomobiles Iliosakralgelenk
1.2.2 Hypermobiles Iliosakralgelenk
1.2.3 Befundkonzept hypo- oder hypermobiles Iliosakralgelenk
1.3 Iliosakralgelenks-Funktionsasymmetrien um die Transversalachse
1.3.1 Pathomechanik der Iliosakralgelenks-Funktionsasymmetrie um die Transversalachse
1.3.3 Befund der Iliosakralgelenks-Funktionsasymmetrie um die Transversalachse
1.3.4 Therapie einer Iliosakralgelenks-Funktionsasymmetrie um die Transversalachse1.4 Iliosakralgelenks-Funktionsasymmetrien um deren Sagittalachsen
1.4.3 Schmerzsymptomatik bei der Funktionsasymmetrie der Iliosakralgelenke um deren Sagittalachsen
1.4.4 Befund einer Funktionsasymmetrie der Iliosakralgelenke um deren Sagittalachsen
Zusammenfassung:
Das Becken ist in sich durch die Bewegung der drei großen Beckenknochen in den Iliosakralgelenken zueinander beweglich. Dadurch können sich für die Statik und Funktion der Wirbelsäule, und damit des gesamten Bewegungssystems, die Basis bzw. proximalen Anlenkpunkte (Kreuzbein und Hüftgelenke) gegeneinander verlagern. Deshalb stellt die Befundung und, wenn dies möglich ist, die Funktionsnormalisierung der Beckenfunktionsstatik die Behandlungsbasis auch bei der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie dar.
Bewegungen in den Iliosakralgelenken sind, vereinfacht gesehen, in den drei Körperhauptachsen möglich, wobei jene um die transversale Achse am meisten, die um die beiden Sagittalachsen dieser beiden Gelenke weniger an verschiedenen pathomechanischen Geschehen beteiligt sind, die beim Patienten klar definierbare Funktionsstörungen, aber auch Beschwerden mit den Bildern anderer möglicher Ursachen auslösen können. Der Iliosakralgelenksbewegung um die Longitudinalachse kommt bei der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie wenig Bedeutung aus therapeutischer Sicht zu.
Iliosakralgelenke können neben deren auf beiden Beckenseiten gleicher Mobilität auch seitendifferent zueinander auf einer Seite bewegungseingeschränkt, also hypomobil, und kontralateral in Relation dazu hypermobil sein, wobei das ligamentär überbewegliche Iliosakralgelenk durch Überbelastungsreaktionen zu diversen lokalen Beschwerden sowie solchen mit Fernwirkung führen kann.
Bei einer einseitigen Immobilität eines Iliosakralgelenks befindet sich dieses meist ligamentär fixiert in Richtung eines seiner beiden um die Transversalache möglichen Endbewegungsräume. Ebenso kann es vorkommen, dass beide Iliosakralgelenke um deren transversale Beckenachse gegeneinander rotiert und bewegungsgehemmt sind. Beides führt zu einer Veränderung der Beckenstellung in sich wie auch im Raum und kann, durch die daraus resultierende laterale Beckenkippung um die Sagittalachse und etwas um die Longitudinale, das Bild eines Beckenschiefstandes in dessen Bezug zur Transversalebene mit dem scheinbaren Bild einer Beinlängendifferenz ergeben bzw. bei vorliegender tatsächlich anatomischer Beinlängendifferenz, wenn diese dadurch mehr oder weniger kompensiert wird, statt eines Schiefstandes ein "gerades" Becken vortäuschen.
Schlüsselworte:
Anteversionsnutation/Retroversionsnutation eines Os coxae gegen das Os sacrum, Bewegungsneukonditionierung, funktionelle Beinlängendifferenz, pseudoradikuläre und radikuläre Irritation, neuromuskuläre nozizeptive Bewegungsblockierung, Beckenschiefstand, Beckenlateralverschiebung, Beinlängendifferenz, Dysfunktionsinterferenzen, Gelenksnutration, Hypomobilität und Hypermobilität ligamentär und muskulär, Iliosakralgelenke, hypermobiles/hypomobiles Iliosakralgelenk, Iliosakralgelenks-Funktionsasymmetrie um die Transversalachse/die Sagittalachsen, Mobilitätsbalance, Muskeldehntechniken, Nozizeptoren, peripheres Nervenkompressionssyndrom, piezoelektrischer Effekt, Parallele Medio-Lateralverschiebung - Parallelogrammverschiebung der Beckenknochen, Piriformisdehnung, Propriozeption, Seitendifferenzen, Symphysenhochstand, Torsionsfixierung der Iliosakralgelenke.
Nicht in der medizinischen Nomenklatur speziell erfasste und bei der Lehre der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie somit eigenbenannte anatomische Gegebenheiten sind als solche mit dem Zusatz (n. dwth) gekennzeichnet.
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Dass Iliosakralgelenke nicht nur während des Entbindungsaktes der Frau, sondern auch bei allen Bewegungen, welche über das Becken laufen, eine wichtige Funktion erfüllen, wurde im deutschen Sprachraum erst (wieder) durch Arbeiten aus dem angloamerikanischen-angelsächsischen sowie nordeuropäischen Raum propagiert, diskutiert, erfahren und gelehrt. Es gibt jedoch immer noch Publikationen, in denen jegliche Mobilität der ISG bzw. deren Auswirkungen verneint werden, obwohl teilweise von solchen Autoren - nach ihrer Ansicht nur ,hypothetisch" mögliche - biomechanische Gegebenheiten erwähnt werden.
Im Beckenbereich werden auch bei der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie Asymmetrien, die einmal um die transversale Hauptachse (Torsion der Hüftbeine gegen das Kreuzbein) wie auch in den beiden Sagittalachsen der Iliosakralgelenke (Parallelverschiebung in der Frontalebene der Ossa coxae gegen das Os sacrum) verlaufen, bezüglich des Befundes und der Therapie beachtet. Ausgelöst werden solche Fehlstellungen wohl durch eine direkte und indirekte Iliosakralgelenks-Funktionsbeeinflussung über die Oberschenkel-, Becken- und untere Rückenmuskulatur. Die biomechanischen Beobachtungen dazu decken sich bei der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie teilweise mit jenen von ILLI, CRAMER, LEWIT, WINKEL et al. und KAPANDJI (obwohl gerade letzterer eine ISG-Bewegung unverständlicherweise auszuschließen scheint).
Das Iliosakralgelenk hat, je nach Alter und lumbosakralem Lordosewinkel, eine mehr oder weniger in seinem cranialen Anteil nach ventral geneigt ausgeprägte Gelenkfläche, die Facies auricularis (sacri), mit einer mehr waagrechten Ausrichtung bei Lumbalhyperlordose bzw. aufgerichteter Stellung bei einem steilen und lordotisch gering ausgeprägten Lumbosakralübergang.
In ihrem mittleren Anteil weist die Facies auricularis zwei flache Gelenkmulden auf mit einer, diese verbindenden etwa viertelringgroßen ebenfalls flachen Kavität, die Cavum facies auricularis ossis sacri (n. dwth), deren Rotationszentrum in Höhe der Tuberositas iliaca liegt. Adäquat dazu ist die Facies auricularis ilii ausgebildet, wobei deren entsprechende Erhabenheit, das Tuberculum facies auricularis ossis ilii (n. dwth) facettenhaft in die Vertiefungen der sakralen Iliosakralgelenksfläche eingreifen. Der am Os ilium ebenfalls in etwa viertelringgroße erhabene Gegenpart zur cavösen Gelenkfläche der Facies auricularis am Os sacrum hat seine Mittenachse in etwa auf der Höhe der Tuberositas sacralis mit teilweise, nach deren Entdecker Fred. W. ILLI benannten, kreuzbandartigen ligamentären Verbindungen, den Ligamenta Illi [1952]. Diese befinden sich inferior des jeweiligen Lig. iliolumbale, ca. 15 mm superior des betreffenden Iliosakralgelenks, am Os ilium und inserieren, nach deren Iliosakralgelenks-Kapseldurchtritt, ca. 5 mm posterior-inferior der antero-cranialen sakralen Gelenkfläche des betreffenden Iliosakralgelenks intraarticulär am Os sacrum.
Diese Bänderanordnung stellt eine zusätzliche
Stabilisierung dar zu der Funktion der das Iliosakralgelenk kinetisch
in der bzw. um die transversale Achse haltenden und führenden
posterioren stark ausgeprägten Ligg. sacroiliaca interossea, sie
unterstützen aber auch die
anterioren Bänder am ISG, die weniger kräftigen Ligg.
sacroiliaca ventralia, zwischen dem cranialen ersten und
inferior-mittleren zweiten Drittel dieses Gelenks.
Abbildung 1
Grobschematische Lage des Iliosakralgelenks mit
einprojezierter Gelenkfläche und Lage der sich am häufigsten
bestätigenden Annahme der transversalen Torsionsachse aus
lateraler Sicht mit Winkelangaben der möglichen Endraumstellung
des Os coxae zum Os sacrum im Iliosakralgelenk.
Etwas posterior dieses beschriebenen Iliosakralgelenksbereichs, transversoanterior-transversal durch die Mitte der Ligg. sacroiliaca interossea verlaufend, verläuft offensichtlich die Hauptbewegung der Ossa coxae zum Os sacrum, zentriert durch die Ligg. Illi.
Der Verlauf dieser sowohl superior wie auch inferior nach
posterior und anterior etwas exzentrisch mobilen Iliosakralgelenksachse
geht in diesem Gelenk von leicht schräg lateral-posterior nach
medial-anterior in einem Winkel von ca. 15° bis hin zu 22° im
medialen und superioren Iliosakralgelenksbereich zur Medianebene hin
wohl häufig auch als Mischachse, gebildet durch die von
MENELL beschriebene Iliosakralgelenks-Achsenfixierung um offensichtlich
je ein Tuberculum facies auricularis ossis ilii (n. dwth) und der
dagegenstehenden Cavum facies auricularis ossis sacri.
Abbildung 2
Beckenring von superior betrachtet mit Lage der
transversoanterior-transversal verlaufenden Iliosakralgelenksachse.
Abbildung 3
Beckenring von posterior betrachtet mit Lage der
transversoanterior-transversal verlaufenden Iliosakralgelenksachse im
bezug zur Transversalebene.
Die Behauptung, das Iliosakralgelenk würde durch
keine Muskeln bewegt bzw. durch deren Aktionen nicht in seiner Funktion
beeinflusst, ist nach der Lehrmeinung der Dynamischen
Wirbelsäulen-Therapie falsch. Bei allen Aktionen der Muskeln, die
über das Becken laufen bzw. an diesem inserieren, bewegen sich die
Iliosakralgelenke zwangsläufig mit, so z. B. wenn seitendifferent
ein in bezug zu deren Zugrichtung antagonistischer Kraftzug
auf einer Seite am Os ilium und auf der Gegenseite am Os sacrum
ansetzt, wie dies beispielsweise bei Aktionen konträrer
Muskelanspannung bei balancierenden Ausweichbewegungen zu Steh- und
Bewegungsmassekräften im Beckenbereich der Fall ist.
Außerdem schwingt puffernd das betreffende Os coxae im
Iliosakralgelenk mit bei Beinbelastungsbewegungen im Stand und bei
Gehaktionen.
Das Iliosakralgelenk als amphiarthrotisches Gelenk mit undefinierter
bzw. fehlender Bewegung zu bezeichnen ist m. E. unrichtig, da sehr wohl
definierte und messbar-nachweisbare Bewegungen darin, entsprechend dazu
die Beckenstatik funktionell beeinflussend, ablaufen können!
Die im folgenden beschrieben hauptsächlichen Beckenfehlstellungen
können sich bei Patienten zeigen und sind befund- sowie
therapierelevant.
{Auf weitere als hier gemachte anatomische Beschreibungen der
Iliosakralgelenke wird in dieser Abhandlung nicht mehr eingegangen, da
deren Kenntnis im angesprochenen Leserkreis der Physiotherapeuten
vorausgesetzt wird.}
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Als hypomobiles Iliosakralgelenk wird im Sprachgebrauch der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie jenes bezeichnet, das ligamentär, also in bezug zu dessen Bänderkonsistenz bzw. -spannung, bewegungseingeschränkt ist. Dieses ISG löst keine mechanisch bedingte Nozizeptorenüberreaktion aus, es sind somit keine Schmerzsensationen von diesem Gelenk wegen dessen Zustand zu erwarten. Auch kommt es im Verhältnis zu einem normal beweglichen oder hypermobilen ISG mit Sicherheit zu einem anderen propriozeptiven Input, dessen Information reduziert oder fehlerhaft sein kann.
Hypomobiles Iliosakralgelenk = ligamentär hypomobiles ISG mit fehlenden Reizkomponenten.
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Als hypermobiles Iliosakralgelenk wird mit der Terminologie der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie jenes bezeichnet, das ligamentär, also von dessen Bänderspannung und -struktur her, instabil und überbeweglich ist. Dieses Gelenk umgebende Bewegungseinheiten sind sehr häufig neuromuskulär-bewegungsdynamisch fehlversorgt im Sinne einer muskulär-reflektorischen nozizeptogenen Hyperfunktion, woraus die davon ausgehenden meist starken Fehlsteuerungsmechanismen und Schmerzsensationen herrühren.
Hypermobiles Iliosakralgelenk = ligamentär hypermobiles ISG mit reaktiv neuromuskulärer nozizeptiver Bewegungshemmung bzw. "Blockierung" der umgebenden beckenhaltgebenden und -bewegenden Muskulatur.
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Da zwischen dem Os sacrum und dem Os ilium bei einem
ligamentär immobilen Iliosakralgelenk, welches mehr oder weniger
bewegungseingeschränkt sein kann, in der Relation weniger Bewegung
abläuft als in dem die fehlende Beckengesamtbewegung
kompensierenden der Gegenseite, kommt es zu einer langsamen
Veränderung am Band-, Bindegewebs- und Muskelapparat in dem
Bereich des immobilen
Iliosakralgelenks, wie auch teilweise in der ganzen homolateralen
Beckenhemisphäre.
Bei der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie wird zur Feststellung
einer Iliosakralgelenks-Immobilität kein sogenannter
Bewegungstest durchgeführt, bei dem das hypermobile
Iliosakralgelenk meist noch mehr belastet wird (dabei könnte es zu
einer Reizung des ohnehin schon überlasteten hypermobilen
Iliosakralgelenkes kommen und es mag dahingestellt bleiben, ob sich bei
den verschiedenen Bewegungstests überhaupt eine Bewegung in den
Iliosakralgelenken ertasten
lässt, oder ob nicht vielmehr das dieses umgebende Gewebe
häufig eine solche vortäuscht [man beachte die massiven
dorsalen sakroiliakalen
Bandstrukturen]).
Auch sind sogenannte ,Vorlauf-Bewegungstests" nach Ansicht der Lehre
der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie nicht immer genau, da
hierbei die unterschiedlichen Funktionszustände ganzer
Muskelgruppen unterschiedliche Beckenausweichbewegungen und damit u. U.
auch Fehlbefunde bedingen können.
Die Auswirkung der beschriebenen Differenz ligamentärer Spannung
wird bei der Dynamische Wirbelsäulen-Therapie insofern zur
Befunderhebung herangezogen, als bei ihr, wie erwähnt, keine
Mobilitätstests der
Iliosakralgelenke durchgeführt werden, sondern die relative
funktionell-ligamentäre Kontraktur im Verhältnis zur
kontralateralen Beckenseite der dazu lockereren Strukturen der Ligg.
sacrococcygea, dem Lig. sacrospinale und Lig. sacrotuberale und des M.
coccygeus durch einen speziellen Tastbefund vergleichend beurteilt
wird.
Der Befund an einer vorliegenden
a.-p.-Röntgenaufnahme des Beckens zeigt fast immer, dass das
hypermobile Iliosakralgelenk sich als jenes darstellt, das häufig
schon arthrotische Veränderungen, meist aber eine höhere
Dichte im ligamentären Bereich als Folge der mechanischen
Überbelastung und somit intermediären Hyperreaktion,
aufweist.
Ein ligamentär immobiles Iliosakralgelenk stellt sich dagegen als
wenig auffällig mit vergleichsweise gut konturierten
Gelenksrandflächen dar und einem verhältnismäßig
weniger dichten Umgebungsgewebe.
Abbildung 4
Unterschiedliche Iliosakralgelenksstrukturen wie auch
eine unterschiedliche Gewebsdichte in dem an dieses unmittelbar
anschließende Knochen- und
elastische Bindegewebe bei der diesbezüglichen Beurteilung einer
a.-p.-Röntgenaufnahme des Beckens weisen auf Bewegungsasymmetrien
beider Iliosakralgelenke im bezug zueinander hin. Das breite und gut
konturiert konfigurierte Iliosakralgelenk mit weniger dichtem
Umgebungsgewebe ist meist das ligamentär hypomobile [rechte
Beckenhälfte/linke Bildhälfte], das mit den teilweise
inkongruenteren Gelenkstrukturen und hellerem = dichterem umgebendem
Gewebe ist als das ligamentär hypermobile anzusehen, welches durch
nozizeptiven mehr oder weniger starken Dauerreiz das
muskulär-funktionell „blockierte” ist (die gesamte Lage des Os
coccygis stellt sich auf dieser Aufnahme, wie häufig, nicht
entsprechend dar und ist somit nicht zur Beurteilung der
Bänderspannung auswertbar [linke Beckenhälfte/linke
Bildhälfte]).
Die Darstellung der Gesamtlage des Os coccygis auf einer
solchen Aufnahme ist meist ungenügend und für oben
angesprochene Aussagen zur Auswirkung der Bänderspannung auf das
Steißbein wenig geeignet, da dessen distale Gewebsdichte an der
Apex coccygii häufig gering ist und sich somit nur unklar, je nach
Belichtung und Filterung bei der Aufnahme, darstellt (lediglich im
Versuch haben sich uns hierzu spezielle Aufnahmetechniken bewährt,
die in der Praxis jedoch für die Befunderhebung nicht nötig
sind).
In der Ultraschalldarstellung zeigt sich ein auffälliges
hypermobiles
Iliosakralgelenk sehr häufig, im Gegensatz zum
gegenüberliegenden ISG mit immobiler Funktion, mit einer
vermehrten ödematösen
Strukturierung des Bindegewebes, das diese Gelenkregion umgibt, und
zwar posterior des Sakralbereiches und medial dazu, bedingt durch die
bei starker ligamentärer Hypermobilität auftretende
mechanische Überlastung mit typischen Gewebereizfolgen
einschließlich eventuellen Kapillarrupturen und damit
einhergehender mehr oder minder starker Ödem- und auch Hämatomisierung dieses Bereiches.
Auch, nur zur Verifizierung im Versuch sinnvolle, Punktionen zeigten
häufig blutige Infiltrate im Sinne tiefsitzender Hämatome.
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Häufig ergibt sich beim Patienten das Bild einer
einseitigen Iliosakralgelenks-Hypomobilität in einem dessen
möglicher Endbewegungsräume um die Transversalachse bei einer
kontralateral analog dann meist dazu in Relation vorliegenden
Iliosakralgelenks-Hypermobilität, durch welche der Körper
für den Gesamtbewegungsfluss die auf der
bewegungseingeschränkten Seite fehlende Bewegung kompensiert.
Dabei findet sich, egal in welchem Endbewegungsraum sich ein immobiles
Iliosakralgelenk befindet, immer ein auf dieser Seite kontrakterer
Bandapparat in der gesamten betreffenden sakro-pelvikalen
Hemisphäre im Vergleichen zur
kontralateralen Beckenseite, auf der das kompensierende hypermobile
Iliosakralgelenk ist. Dies trifft dabei besonders auf die Ligg.
sacroiliaca interossea und dorsalia, die Ligg. sacroiliaca breve,
longum et ventralia einschließlich dessen inferioren Anteilen in
Form des Lig. sacrococcygeum laterale, das Lig. sacrospinale, das Lig.
sacrotuberale und das Lig. sacrococcygeum ventrale zu.
Solche intrapelvikalen
Bewegungen um die Transversalachse (transverso-sagittale
Mischachse) in den Iliosakralgelenken werden, wie erwähnt,
teilweise immer noch negiert oder klar verneint, obwohl diese in einem
relativ großen Rotationswinkel erfolgen können und dadurch
auch verhältnismäßig große Hebelausschläge
der
distalen bzw. peripheren
Beckenanteile möglich sind. Eine Bereicherung für die Lehre
der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie war meine Begegnung mit
Herrn Professor Dr. HANS PIPER von der Universität Ulm. Bei einem
Gespräch kam ich darauf, dass Herr Prof. PIPER eine ebenso
große ISG-Beweglichkeit als möglich betrachtet wie wir bei
der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie, wobei Prof. PIPER die
physiologisch möglichen Endgelenksstellungen des ISG in
Winkelgraden gemessen hat und dabei auf einen Bewegungsausschlag von
einem Endraum zum anderen von insgesamt rund 40° kam, was sich bei
der Überprüfung per Tastbefund an Patienten und an speziell
angefertigten Röntgenbildern in der Praxis als gut möglich
einschätzen lässt.
Es gibt die Möglichkeit einer ISG-Immobilität mit nutationsfixierter Stellung des Os
coxae gegen das Os sacrum (,Rückschreitstellung"), d. h. das Os
coxae dieser Seite ist insgesamt nach anterior rotiert, wodurch der
Sitzbeinhöcker sich, als inferior der transversalen ISG-Achse
befindlich, posterior seiner Normal-Mittelstellung befindet (als
Rückschreitstellung deshalb benannt, weil das inferior zum
Sitzbeinhöcker liegende Bein bei dessen Rückschwingphase sich
beim Gehen ja ebenfalls
posterior seiner Null- bzw. Standlage befindet).
Ebenso ist eine ISG-Immobilität in gegennutierter bzw.
Retroversionsnutationsstellung
("Vorschreitstellung") möglich. Das gesamte Os coxae dieser Seite
ist dabei nach posterior um die Transversalachse gegen das Kreuzbein
rotiert und im dortigen Endbewegungsraum immobil ligamentär
fixiert. Der Tuber ischiadicum dieser Seite befindet sich somit
anterior seiner Normal-Nullstellung (Vorschreitstellung deshalb
genannt, weil das darunter befindliche Bein bei der Vorschreitbewegung
auch anterior seiner Stand-Mittelstellung ist).
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Bei der ISG-Immobilität mit nutationsfixierter
Stellung des Os coxae gegen das Os sacrum ist das Os coxae der
betreffenden Seite in seinem Gelenks-Endbewegungsraum in dessen kranialem Anteil um die
beschriebene Transversalachse im Verhältnis zu dessen
Neutral-Null-Stellung in diesem Gelenk zum Os sacrum nach anterior
ligamentär fixiert und, zumindest im unbelasteten Zustand, auch in
Beziehung zu dem Os coxae der Gegenseite. Eine solche ISG-Bewegung und
seine Endraumstellung kann nach Beobachtungen von Prof. PIPER ca.
18° betragen.
Diese funktionsstatisch mehr oder weniger ligamentär fixierte
Stellung entspricht jener, die im mobilen Zustand dieses
Iliosakralgelenks das Os ilium gegen das Os sacrum in der
Bein-Entlastungsphase, mehr noch bei einer Hüftflexionsbewegung
als weiterlaufende Bewegung, einnimmt.
Die Veränderung der Hüftgelenksachse zum Promontorium in der Frontalebene kann
bei dieser Art der Fehlstellung - wie auch analog dazu gegensinnig bei
der konträren Art dieser Fehlstellung - eine der Ursachen für
eine nichtanatomische, sondern funktionelle scheinbare
Längendifferenz der Beine sein. Es wird dabei die Strecke in der
Frontal- und Sagittalebene
von der Basis ossis sacri zum Hüftgelenk - damit auch zur
Standfläche des Fußes - größer und somit also im
Vergleich zur Normalbeckenstellung auf jener Seite länger, auf der
eine Iliosakralgelenks-Immobilität in fixierter
Anteversionsnutation sich befindet
im Vergleich zur Neutral-Null-Stellung der Iliosakralgelenke. Rotiert
also ein Os coxae im Iliosakralgelenk um die Transversalachse gegen das
Os sacrum nach ventral, so wird das homolaterale Hüftgelenk dabei
etwas nach dorsal-distal (inferior) im Verhältnis zu seiner
Normalstellung in dessen Lage zur Wirbelsäule verschoben. Dadurch
also kann das Bein dieser Seite, verglichen zur
Normalstellungssituation im Iliosakralgelenk und im Raum sowie zu jenem
der Gegenseite, im Frontalebenenverhältnis zum Promontorium in
seiner Funktion ,länger" wirken durch die funktionelle
Distanzzunahme der Strecke Hüftgelenk-Kreuzbeinbasis in der
frontalen und sagittalen
Ebene.
Abbildung 5
Schema eines in
Anteversions- [18°] und eines
dagegengestellten in Retroversionsnutation
[22°] ligamentär fixierten Iliosakralgelenks im
Gegensatz zu deren physiologischer Neutral-Null-Stellung. Die
Hüftgelenksflexionsmittenachse des superior nach anterior
ligamentär im
Iliosakralgelenk fixierten Os coxae befindet sich etwas nach
inferior-distal in Beziehung zu dessen Normalstellung und zum
gegenüberliegenden verlagert = Ursache für eine funktionelle
Verlängerung der proximalen Beinauflage der Strecke vom
Hüftgelenk zum Kreuzbein und somit zum gesamten Becken (funktionelle „Beinverlängerung”).
Dagegen steht die Hüftgelenkspfanne des Os coxae,
das in der Retroversionsnutation gegen das Os sacrum fixiert ist
anterior und in der Frontal- wie auch Sagittalebene mehr superior in
Beziehung zur Kreuzbeinbasis = Ursache für eine funktionelle
Verkürzung der proximalen Beinauflage der Strecke vom
Hüftgelenk zum Kreuzbein und somit zum gesamten Becken (funktionelle „Beinverkürzung”).
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Bei der ISG-Immobilität in gegennutierter bzw. Retroversionsnutationsstellung um die Transversalachse zeigt sich das Os coxae der betreffenden Seite im Iliosakralgelenks-Endbewegungsraum in seinem cranialen Anteil nach posterior ligamentär fixiert. Diese funktionsstatisch mehr oder weniger nicht muskulär, sondern ligamentär fixierte Endstellung entspricht jener, die im mobilen Zustand des Iliosakralgelenks etwas das Os ilium gegen das Os sacrum in einer, von distal linear in der longitudinalen Beinachse verlaufenden, Beinbelastung bei der Stand- und Gehaktion auf das aufliegende Becken einnimmt. Diese Art der ISG-Endraumstellung beträgt nach Beobachtungen von Prof. PIPER bis zu 22°. Sie kann ebenfalls die Ursache für eine nichtanatomische, sondern eine funktionelle ,Beinlängendifferenz" sein, da der Abstand der Transversalebenen der Beckenbasis und der Hüftgelenke im Becken in den Frontal- und Sagittalebenen geringer wird - und somit also im Vergleich zur Normalbeckenstellung auf jener Seite kürzer -, auf der eine ligamentäre Iliosakralgelenks-Immobilität in fixierter Retroversionsnutation sich befindet im Vergleich zur Neutral-Null-Stellung dieses Iliosakralgelenks bzw. zur kontralateralen Lagesituation. Rotiert also ein Os coxae um die Transversalachse im Iliosakralgelenk gegen das Os sacrum in seinem superioren Anteil in bezug zu seiner Normalstellung nach dorsal, so wird das homolaterale Hüftgelenk dabei etwas nach anterior-cranial zu seiner physiologischen Neutral-Null-Stellung in seiner Lage zur Wirbelsäule verschoben, wodurch das Bein dieser Seite, verglichen zur Normalstellungssituation im Iliosakralgelenk und in Beziehung zu jenem der Gegenseite, im Funktionsverhältnis durch die Streckenverkürzung Hüftgelenk-Kreuzbeinbasis in der Frontalen zum superioren Becken und damit zur Wirbelsäule ,kürzer" wird.
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Da eine solche in sich gegenläufige Verwringung der
drei großen Beckenknochen gegeneinander, über die
Transversalachse der Iliosakralgelenke laufend, natürlich nicht
nur mechanisch auf die bereits beschriebene Stellung der Hüftbeine
eine Auswirkung hat, die dann ,irgendwo" im Becken endet, hat die Frage
interessiert, was in der
Symphyse bei diesen
Beckenfehlstellungen passiert. Das war Anlass für die
versuchsweise Anfertigung von Röntgen-Symphysenaufnahmen mit
direktem a.-p.-Längsstrahlengang
durch die Symphyse. Dabei saßen die Probanden bei waagrecht
liegenden Oberschenkeln und dazu ca. 135° gebeugtem Hüftgelenk
und Oberkörper auf dem Röntgentisch, der
Röntgenstrahlengang verläuft bei dieser Aufnahmetechnik also
weitestgehend parallel zur Symphysenlänge, also längs durch
diese hindurch.
Abbildung 6
Lage des Probanden bei einer Röntgenaufnahme zum
Nachweis der Anterior- und Posteriorverschiebung dessen Symphyse/Os
Pubis bei einseitigen Beckenfehlstellungen in Antversions- bzw.
Retroversionsendraumfixierung eines Iliosakralgelenks (die Symphyse
steht dabei „gerade” bzw. parallel im Strahlengang).
Dabei zeigt sich bei der Anteversionsnutation als
Endraumstellung eines immobilen Iliosakralgelenks die Position des Os
pubis der betreffenden Seite etwas posterior, während bei der
Retroversionsnutationsstellung dieses sich leicht anterior befindet zu
dem jeweils gegenüberliegenden.
Es ist also bei dieser Fehlstellung der Torsionsfixierung in den
Iliosakralgelenken um die Transversalachse das Os coxae in dessen
superiorem Anteil bei der Anteversionsnutationsfixierung nicht nur nach
anterior und mit seinem inferiorem Teil nach posterior zum Os sacrum
räumlich verlagert, sondern es kommt zudem zusätzlich auch zu
einer zwangsläufigen Verschiebung vom Os ischii und Os pubis der
jeweiligen Seite nach posterior zu denen der Gegenseite. Entsprechend
ist bei der konträren Endraumstellung zur soeben Beschriebenen,
also der Immobilität eines Iliosakralgelenks in Retroversion, auch
die Stellung des Os pubis zu dem gegenüberliegenden nach anterior
verlagert.
{Eine solche Untersuchung bringt für keine Therapie, auch nicht
für die Dynamische Wirbelsäulen-Therapie, therapierelevante
Erkenntnisse, sondern war nur auf dem Frageweg der Verifikation der
gesamten Beckenreaktion bzw. -aktion bei einem solchen komplexen
mechanischen Geschehen, wie sie die Beckenfunktionsasymmetrie um die
Transversalachse der Iliosakralgelenke darstellt, von Interesse!}
Abbildung 7
Skizze nach einem Röntgenbild:
Das Os pubis ist im Iliosakralgelenksendraum bei der
Anteversionsnutationsfixierung leicht nach dorsal, bei der
gegengestellten Immobilität eines Iliosakralgelenks in
Retroversion etwas nach ventral zum gegenüberliegenden verlagert.
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Ein hypomobiles Iliosakralgelenk verursacht direkt keine
Schmerzen, ist jedoch als Ursache verschiedener
Kompensationsmechanismen, die hierbei nahezu immer zu sekundären
Funktionsstörungen und häufig auch zu solchen Schmerzbildern
führen können, anzusehen.
Beim entsprechenden Funktionsbefund am Patienten lässt sich
erkennen, dass meist das Bild einer
(neuro-)muskulären Dysbalance (zumindest im
Bein-Becken-Bauchmuskelbereich) mit entsprechenden Seitendifferenzen
besteht, die sich nach der Art der Endstellung des Os coxae gegen das
Os sacrum bei einer Iliosakralgelenksimmobilität ergibt.
So zeigt es sich beim Patienten mit einer ISG-Immobilität im
Bewegungsendraum der Nutation des Os coxae gegen das Sacrum
(ISG-Immobilität in ,Rückschreitstellung"), dass die
Hüftflexoren einen höheren Grundtonus aufweisen und, wenn
auch oft nur in geringem Maße, mit höheren Kraftwerten bzw.
einer besseren Kraftleistungsfähigkeit reagieren. Synergistisch zur
Fehlstellung sind dazu seitens der Bauchmuskulatur besonders die
Anteile der Mm. obliquus internus et externus anterior der Axillarlinie
mit den dort nach inferior verlaufenden Zügen etwas mehr auf
Länge, posterior dazu etwas mehr auf Verkürzung geschaltet
bzw. eingestellt.
Hingegen zeigt sich bei Patienten mit einer ISG-Immobilität im
Bewegungsendraum der Retroversionsnutation des Os coxae gegen das
Sacrum (ISG-Immobilität in ,Vorschreitstellung"), dass die
Hüftextensoren einen höheren Grundtonus aufweisen wie auch
meist eine höhere Kraft bzw. Kraftleistungsfähigkeit. Das
Längen- bzw. Tonusverhältnis der schrägen Bauchmuskeln
entspricht meist, wenn auch oft nur angedeutet, dieser Stellung des Os
coxae und neigt etwas mehr zur
Kontraktur in ihren
posterior-inferioren
Anteilen und zur besseren Dehnbarkeit in ihren anterior-inferioren
Zügen. Welche Ausmaße, beim Patienten dann meist noch in der
mannigfachen Überlappung mit anderen fortgeleiteten Fehlhaltungs-
und Fehlfunktionsfolgen im Sinne von ,Dysfunktionsinterferenzen",
solche asymmetrischen Dynamien und Adynamien haben können, braucht
an dieser Stelle Physiotherapeuten nicht näher erklärt zu
werden.
Sekundäre Funktionsstörungen in der Folge eines immobilen
Iliosakralgelenks laufen sicherlich auch häufig im Hüftgelenk
der dazu seitengleichen Beckenseite ab. Durch eine ISG-Immobilität
kommt es mehr oder weniger, wohl häufig nur im Minimalstbereich,
zu einer nicht optimal achsengerechten Stellung der
Hüftgelenkspfanne im Verhältnis zum Femurkopf in der Relation
zu einem Hüftgelenk eines normal oder gar überbeweglichen Os
coxae in dessen Bewegungsverhältnis zum Os sacrum und damit zu den
gesamten über das Becken laufenden Bewegungen. Da die Ausweich-
und Federbewegung des Os coxae im ISG bei dessen relativer oder
absoluter Immobilität geringer ist als jene auf der Seite mit dem
im Verhältnis dazu mobileren Iliosakralgelenk, ist dieses
Hüftgelenk auch durch eine zu harte Widerlagerung und durch eine
in der Wegstrecke bei den Hüftgelenksbewegungen längere
Gleitstrecke des Femurkopfes gegen einen kleineren Pfannenabschnitt,
der ja ansonsten bei einem seitengleich mobilen Iliosakralgelenk sich
auch noch in einer längeren Strecke gegen- bzw. mitbewegt und
somit die Last-Zeiteinheit pro Gelenkflächenabschnitt verringert,
je nach Seitendifferenz des Mobilitäts- bzw.
Immobilitätszustandes der Iliosakralgelenke höher belastet.
Außerdem dürften die seitendifferenten unterschiedlichen
nervalen afferenten Informationen eine Rolle bei der nutritiven Versorgung der
spezifischen Gewebe des Bewegungssystems zumindest im direkten und auch
benachbarten nervalen Versorgungsbereich der jeweiligen
Iliosakralgelenke spielen. Dabei ist auch anzunehmen, dass die
Beckenseite mit dem höheren Informationsinput - Beckenseite mit
hypermobilem
Iliosakralgelenk - auch insgesamt eine aktivere Stoffwechsellage
aufweist als die mit dem peripher niedereren Informationsgehalt auf der
Beckenseite mit dem relativ hypomobileren Iliosakralgelenk. Zudem
dürfte sich im Verhältnis zur normalen Mobilitätsbalance
beider Iliosakralgelenke wohl ebenfalls auf den Metabolismus und
neurophysiologische Funktionen einflussnehmend das unterschiedliche
piezoelektrische Reizpotential, resultierend aus den interossär
seitendifferenten Kalziumsalzkristall-Kompressions- und
-Entlastungsmomenten, auswirken. Interessanterweise lässt sich
beobachten, dass eine Coxarthrose auch meist auf der Beckenseite, auf
welcher sich ein Iliosakralgelenk in immobilerem Zustand im Vergleich
zum kontralateralen befindet, entsteht oder entstand und kann so vom
Beginn einer Hüftgelenksarthrose bis hin zu deren
ausgeprägtem Stadium immer wieder beobachtet werden, wobei dies
nur einer, nach Beachtung der erwähnten Funktionszustände,
auffälligen Häufung entspricht und Abweichungen dazu
natürlich ebenso befundbar sind.
Auch die Kompensationsüberbelastung eines hypermobilen
Iliosakralgelenks ist eventuell als eine der Sekundärfolgen zu dem
dazu kontralateralen hypomobilen
Iliosakralgelenk anzusehen wobei auch dies die Frage nicht
klärt, ob sich die Hypomobilitätsfunktion eines
Iliosakralgelenkes auf der Basis der gegenüberliegenden
Iliosakralgelenkshypermobilität aufbaut oder ob die
Hypermobilität in einem Iliosakralgelenk durch die zunehmende
Hypomobilität des dazu kontralateralen Iliosakralgelenks entsteht
(auch hier kommt sicherlich einmal die ,Henne vor dem Ei" und dann auch
wieder das ,Ei vor der Henne").
Aus den vorgenannten mannigfachen möglichen
Funktionsstörungen, die von einem immobilen Iliosakralgelenk
verursacht sein können, lassen sich auch für den erfahrenen
Physiotherapeuten die möglichen Schmerzsensationen und
-projektionen, die daraus resultieren können, erkennen.
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Das hypermobile Iliosakralgelenk ist im Gegensatz zum
hypomobilen das wesentlich auffälligere. Es muss selbst keine
Schmerzausstrahlung produzieren, ist jedoch sehr häufig durch die
mit zunehmender Belastung auch zunehmenden Nozizeptorenreizung direkter
Schmerzverursacher mit einem typischen Schmerzzentrum medial der Spina
iliaca posterior superior-Pars superior durch den dort mehr gedehnten
Bandapparat in Folge des größeren Bewegungsausmaßes
des Os ilium gegen das Os sacrum in der
Iliosakralgelenksachse wegen des längeren Hebels als jenem
zwischen dessen Pars inferior und dem Kreuzbein, wobei hierhin bei
ausgedehnteren Reizzuständen dann auch der Schmerz ausstrahlen
kann, besonders dann, wenn es hypermobilitätsbedingt zu
Gewebsrupturen mit Odem- oder Hämatombildungen kommt.
Der Schmerz kann aber, je nach Stärke der somatomotorisch
hemmenden Nozizeptorenreize, sich von dort aus nach inferior bzw.
distal ausdehnen, insbesondere im Verlauf der Mm. glutäus medius
und minimus. Von da aus können die Schmerz- und
Funktionsirritationen im
faszikulären
Übergangsbereich zum M. piriformis sich bis hin zum Trochanter
major femoris ausdehnen.
Bei einer stärkeren nozizeptiv
initialisierten muskulären Bewegungshemmung kommt noch die
Kontraktur des M. tensor fasciae latae hinzu mit häufigen
Insertionsirritationen an der Pars lateralis spina iliaca anterior
superior und sogar Schmerzprojektionen in Teilen oder dem gesamten
Verlauf des Tractus iliotibialis, die bis knapp proximal des lateralen
Kniegelenkes verlaufen können.
Zudem kommt es dann meist auch noch durch den starken Zug des M. tensor
fasciae latae mit einem verstärkten Kompressionsmoment nach medial
und somit einer ebenfalls intensivierten a.-p.-Gleitkomponente am
lateralen Trochanter major zu einer Bursitis in dessen Bereich an den
Bursae trochanterica subfascialis, subcutanea et m. glutäi medii.
Zur oben beschriebenen Schmerzmechanik führt eine sich
synergistisch in die muskulären Hemmreaktionen einfügende
Verspannung des M. piriformis häufig noch zum
pseudoradikuläre Typus eines Ischiaskompressionssyndroms, wenn der
Druck dieses sich verkürzenden Muskels im Foramen ischiadicum
majus den N. ischiadicus gegen den Arcus anterior foramen obturatorii
drückt.
Außerdem kann die bereits erwähnte Hypermobilitätsfolge
von Gewebsrupturen bei einer ausgeprägten
Iliosakralgelenks-Immobilität durch die sich dabei bildenden
Ödeme bzw. Hämatome im Bereich der Foramina intersakralia,
also medial des betreffenden Iliosakralgelenks, eine S1-S4-Symptomatik
mit den klassischen neurologisch bekannten Projektionen ergeben.
Bei entsprechender nozi(re)zeptoreninduzierter Muskelkontraktions- und
Bewegungshemmreaktion fällt auch häufig eine dazu homolateral
einseitige An- bzw. Verspannungsreaktion in der Gruppe des M.
iliopsoas, besonders des M. iliacus auf, wodurch in der Lacuna
musculorum die hier unter dem Lig. inguinale mit austretenden Äste
des N. femoralis (Rr. cutanei anteriores med. et lat. n. femoralis, N.
saphenus) komprimiert werden können es kann dadurch
zusätzlich zum Bild einer pseudoradikuläre L2-L4-Irritation
kommen.
Außerdem kann durch eine ISG-Hypermobilität eine
entsprechenden Zugbelastung am Lig. iliolumbale und am
medial-inferioren Blatt der Fascia thoracolumbalis entstehen, wodurch
eine lateraltrahierende Kraftkomponente mit lateraltranslatorischer
Wirkung auf L5 und etwas auch auf L4 entsteht. Dadurch kann es zu
zusätzlichen Problemen im lumbosakralen und unteren lumbalen
Bereich kommen, sei es durch dort mit ausgelösten
Instabilitäten, auf den Anulus fibrosus sich auswirkende Dehn- und
Scherbelastungsmomente oder nur entsprechenden Gewebsreaktionen im
dortigen Bereich der Foramina intervertebralia, ausgelöst durch
die lateraltranslatorische und -flektorische Fehlbelastung. Auf jeden
Fall kann sich ungünstigstenfalls daraus eine echte
L4-/L5-/S1-Symptomatik entwickeln.
Abbildung 8
Schmerzprojektionen die von einem ligamentär
hypermobilen Iliosakralgelenk ausgehen können.
ISG-Schmerzzentrum im Bereich der
Sp. iliaca post. Sup.
häufigste primäre
Schmerzausstrahlung vom ISG-Schmerzzentrum ausgehend in Richtung Troch.
m. Fem.
mögliche fortgeleitete
Schmerzausstrahlung von der primären Schmerzausstrahlung
Schmerzausstrahlung im ges. Verlauf des
ISG-Gelenkspalts (weniger häufig)
Schmerz durch
Mobilitätsüberbelastung im Bereich zwischen Sp. iliaca post.
sup. und L4/L5 - Lig. iliolumbale/tiefe Schicht d. Fascia
thoracolumbalis (weniger häufig)
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Bei der
Iliosakralgelenks-Anteversionsfehlstellung ist, wie bereits
beschrieben, das gesamte Os coxae dieser Seite nach anterior rotiert im
Verhältnis zum Os sacrum und dort ligamentär fixiert. Dabei
befindet sich der betreffende Tuber ischiadicum posterior zu seiner
Neutral-Null-Stellung und damit auch zum gegenüberliegenden, am
liegenden Patienten unbelasteten, Sitzbeinhöcker.
Die Iliosakralgelenks-Retroversionsfehlstellung zeigt sich mit dem Os
coxae der betreffenden Seite nach posterior rotiert zum Os sacrum, der
betreffende Tuber ischiadicum befindet sich anterior seiner
Normalstellung und somit zum entlasteten kontralateralen Tuber
ischiadicum.
Die Erhebung des Tastbefundes bezüglich einer
Iliosakralgelenks-Funktionsasymmetrie um die Transversalachse und der
dadurch möglichen Ermittlung des Endraums, in dem sich ein
immobiles Iliosakralgelenk befindet, erfolgt mittels genau
durchzuführender Palpation, deren Techniken gründlich bei den
Kursen ,Dynamische Wirbelsäulen-Therapie" gelehrt werden. Es
muss durch geeignete Tasttechnik sichergestellt und so getastet werden,
dass möglichst viel Gewebe an den Sitzbeinhöckern
weggedrängt wird und auch Myogelosen nicht zwischen den tastenden
Fingern und den Tubern eine falsche Einschätzung von deren
Anterior- oder Posteriorlage zueinander ergeben.
Der Endbewegungsraum, in dem sich ein immobiles Iliosakralgelenk
befindet, kann also durch Beurteilung von Stellung bzw. Lage der
Sitzbeinhöcker zueinander bestimmt werden, wenn die Beckenseite
mit dem kontrakteren sacrococcygealen Bandapparat bekannt ist. Dabei
wird an den jeweiligen beidseits möglichen gleichen
Endpalpationsstellen die eventuelle Seitendifferenz bezüglich
einer Abweichung des zu beachtenden Sitzbeinhöckers (= jener auf
der Seite, auf der das Iliosakralgelenk als immobil befundet wurde
<siehe 2.3>) zum gegenüberliegenden beurteilt, analog zu der
Anfangs dieses Abschnittes gemachten Feststellung zur Lage des
betreffenden Sitzbeinhöckers in der Gesamtbeckenlage und somit
auch zu dessen beckenfunktionsstatischer Auswirkung auf das betreffende
Hüftbein mit der Stellung des Hüftgelenks zur Kreuzbeinbasis.
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Ein Röntgenbefund zur Art der
Iliosakralgelenks-Immobilität ist schwieriger zu erstellen als der
palpatorische und funktionsanalytische am ligamentär immobilen
Iliosakralgelenk.
Bei diesem Befund ist es von größter Wichtigkeit, dass der
zu Untersuchende mit geringstmöglichem Beckenabstand und parallel
mit seinem Kreuzbein während der a.-p.-Aufnahme an der
Röntgenfilmebene steht mit beidseits extendierten Kniegelenken,
die Medianebene des Körpers zwischen den Beinen zentrisch unter
der Mitte des Röntgenfilms, die Füße am besten in einer
Stehlehre fixiert, durch welche ein beidseits gleicher Beinabduktions-
und -rotationswinkel gewährleistet ist.
Ist bei der Beurteilung eines solcherart aufgenommenen
Röntgenbildes jene Seite durch Befundung bekannt, auf welcher sich
das immobile Iliosakralgelenk befindet (Gelenksspaltenprojektion am
Röntgenbild, Spannung der inferioren Beckenbänder beim
Tastbefund), so wird der Abstand vom Processus articularis sup. ossis
sacri zum seitengleichen Femurkopf mit dem Maß der selben Strecke
der Gegenseite verglichen. Ist die Strecke auf der Beckenseite mit dem
immobilen Iliosakralgelenk größer als jene auf der
Gegenseite, so handelt es sich (vorausgesetzt der Patient stand bei der
a.-p.-Aufnahme ebenengerecht vor der Röntgenfilmebene!) um eine
Iliosakralgelenks-Immobilität mit ligamentär fixierter
Endstellung in Anteversionsnutation des Os coxae zum Os sacrum.
Wenn jedoch diese Strecke auf der iliosakralgelenks-immobilen
Beckenseite geringer ist als jene auf der Gegenseite, so handelt es
sich - wieder vorausgesetzt der Patient stand bei der a.-p.-Aufnahme
wie oben beschrieben - um eine Immobilität des betreffenden
Iliosakralgelenks mit einem darin ligamentär fixierten Os coxae in
der Endstellung in Retroversionsnutation in bezug zu dem der Gegenseite
und zum Os sacrum.
Die Symphyse zeigt sich dabei auf der entsprechenden Seite, je nach der
Stellung des lumbosakralen Winkels und somit der Kreuzbeinnutation zur
Dorsalebene des Untersuchten, mit einem meist einseitig ,dicker" sich
darstellenden, also insgesamt ,höheren" Os pubis mit einer dann
einseitigen oberen oder unteren ,Kante" an der Symphyse auf der Seite
der Iliosakralgelenksimmobilität in Retroversionsnutation im
Vergleich zu dem der Gegenseite (selten zeigt sich dieses
projektionsbedingt ,größer" [,höher"] sich darstellende
,Aufstellen" des Os pubis an der Symphyse sowohl superior wie auch
inferior über das der Gegenseite hinausragend). Analog dazu stellt
sich das Os pubis auf der Seite der Iliosakralgelenks-Immobilität
im Anteversionsendraum niederer bzw. flacher dar.
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Dem Prinzip der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie
folgend, den befundeten Ist-Zustand = pathologische Ausgangssituation -
durch konträr dazu ansetzende Maßnahmen in den angestrebten
Soll-Zustand = physiologischer Zustand bzw. Funktion - zu
verändern, werden auch bei Iliosakralgelenks-Dysfunktionen in der
transversalen Achse die Mobilisationen und Stabilisationen in ihrer
Funktionsweise entgegengerichtet der Funktionseinschränkung des
betreffenden Gelenks angewandt. Das gilt sowohl bei passiven wie auch
bei den aktiven Maßnahmen streng befund-, richtungs- und
achsenbezogen, woraus asymmetrische Mobilisationen und Übungen
resultieren.
Alle Mobilisationsbewegungen erfolgen im Gegensatz zu einigen anderen
manualtherapeutisch biomechanisch korrigierenden Behandlungsverfahren
bei der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie langsam, nur im
physiologischen Gelenksbewegungsraum, ohne zur Gegenstabilisierung eine
Torsion oder Lateralflexion der Wirbelsäule zu nutzen und ohne
ruckartige Manipulationen, um ansonsten dabei unvermeidbare und m. E.
biomechanisch weitestgehend unphysiologische Belastungen zu vermeiden.
Bei der Iliosakralgelenks-Funktionsasymmetrie in fixierter
Anteversionsnutationsstellung gegen das Os sacrum wird entgegen dieser
befundeten ligamentär fixierten Stellung der
Iliosakralgelenks-Bewegungseinschränkung zum einen über das
entsprechende anterior fixierte superiore Os coxae (Spina iliaca
anterior) gegen dessen distalen Anteil eine seitengleich
ausgeführte Gegenaktion mit dem Ziel durchgeführt, eine
Torsion des Os sacrum gegen das Os ilium in dessen kranialem
Anteil nach posterior entgegen der betreffenden
Iliosakralgelenks-Fixation zu erreichen. Das inferiore Becken wird
dabei vom Behandler im Bereich des Tuber ischiadicum ebenfalls fixiert.
Dies erfolgt passiv als lockernde Vordehnung, aktiv-isometrisch durch
eine seitengleich
ausgeführte Hüftbeugeanspannung des Patienten gegen das
homolateral inferior bzw. distal posterior sowie das superior anterior
fixierte Os coxae mit der Folge der Torsionstendenz des dabei fixierten
Os sacrum gegen das Os ilium in dessen kranialem Anteil nach anterior.
Die selbe Rotationseinwirkung auf das in beschriebenem Endbewegungsraum
immobile
Iliosakralgelenk wird auch als passive Maßnahme durch eine
Bewegung im Bereich des Os ilium nach dorsal und am Os ischii nach
anterior, wieder gegen das fixierte Kreuzbein, durch einen bimanuell
gegenläufig ansetzenden Behandlungsgriff eingesetzt, jedoch bei
umgekehrtem Fix- und Mobilpunkt.
Durch aktive Übungen, die anfangs täglich vom Patienten
selbst durchgeführt werden und mittels denen die meist sehr
manifesten
Fehlhaltungs- und Fehlbewegungsmuster, da auch im Gesamtbewegungsmuster
integriert, gegengerichtet mitbehandelt werden sollen, werden die auf
die Beckenfunktion und -funktionsstatik einwirkenden (bzw. auch davon
ausgehenden) Fehlbewegungen als Folge einer Gesamtfehlhaltung und/oder
-fehlfunktion (bzw. deren Ursache) zu korrigieren versucht (treffender
bezeichnet findet dadurch ein ,austrainieren" und ,verlernen" von
Fehlmustern statt). Mit solch einer Neukonditionierung lässt sich
meist ein langanhaltender und möglichst grundlegend ansetzender
Therapieerfolg erreichen.
Die
Iliosakralgelenks-Funktionsasymmetrie in fixierter
Iliosakralgelenks-Retroversionsnutation wird ebenfalls entgegen dieser
befundeten ligamentär fixierten Iliosakralgelenksstellung zum
einen passiv therapiert, indem der inferiore Anteil des betreffenden Os
coxae gegen dessen cranialen Anteil durch eine Schubbewegung nach
posterior über den Patientenoberschenkel und damit das
Hüftgelenk entgegen der Fehlstellungsrichtung gegen das
stabilisierte Kreuzbein bewegt wird, wobei der Behandler im Bereich der
dorsalen Crista iliaca das Os ilium fixiert.
Dieses Mobilisationsprinzip kommt, entsprechend konträr der
beschriebenen Pathomechanik, in der Ausführung mit verschiedenen
Techniken zur Anwendung. Zudem gelangen auch hier passive
(Auto-)Mobilisationen und aktiv der Fehlstellung gegengerichtete
Übungen, vom Patienten alltagsbegleitend durchgeführt, zur
Anwendung. Daneben kann während den einzelnen Behandlungssitzungen
generell eine spezielle Iontophoresebehandlung unter Zuhilfenahme lokal
wirkender Anästhetika, Antiphlogistika und Enzymen, bei
entsprechender Indikation auch in Verbindung mit kleinflächigen
Eisapplikationen unter Wärmeumpackung, angewandt werden.
Ärztlicherseits hat sich begleitend dazu sehr gut die direkte
Infiltration des entsprechenden hypermobilen Iliosakralgelenks mit
Steroid-freien
proteolytisch wirkenden Substanzen (derzeit leider nicht mehr im
deutschen Handel) in Verbindung mit einem Lokalanästhetikum,
eventuell zusammen mit einer therapeutischen Lokalanästhesie im
Bereich des Ansatzes des M. piriformis, nach jeweils einer
Behandlungssitzung mit der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie
bewährt.
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Es handelt es sich bei dieser Beckenfehlstellungsvariante offensichtlich um die parallelogrammartige Verschiebung der beiden Ossa coxae und des Os sacrum zueinander, in der Terminologie der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie "Parallele Medio-Lateralverschiebung" genannt.
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Bei dieser Art der Fehlstellung kommt es fixiert superior
zum medialen, inferior zur lateralen Ausweichstellung jeweils eines Os
coxae weg von der Medianebene, wobei das gegenüberliegende dann in
die selbe Richtung abweicht, also kranial nach lateral und distal nach
medial in bezug zu dessen Neutralstellung. Das Os sacrum bewegt sich
parallel zu jener Ausweichrichtung etwas mit, wodurch sich eine leicht
parallel zueinander verlaufende Verlagerung der drei großen
Beckenknochen in die selbe Kipprichtung um deren Sagittalachsen in der
Frontalebene ergibt.
Wohl hauptsächlich durch die einseitige Verspannung des M.
iliacus-Pars intrapelvina (die Pars extrapelvina m. iliacus entspringt
an der Lacuna musculorum und der Hüftgelenkskapsel) und der
dadurch seitengleichen
Oberschenkeladduktion, die beim Gehen und Stehen hinderlich sein
würde, wodurch - ebenso wie durch sein bewegungsmotorisches
Grundmuster - der Patient versucht, das Bein jener Seite beim Gebrauch
in einer seiner Gesamtbewegung adäquaten Abduktionsstellung zur
Medianebene zu halten bzw. zu bewegen (also möglichst parallel zum
Bein der Gegenseite), kommt es zwangsläufig zu dieser
Parallelverschiebung der drei großen Beckenknochen in der
Frontalen, denn es muss sich dabei das Becken auf der Seite der
Kontraktur dieses pelvikalen
Anteils des M. iliopsoas insgesamt inferior etwas nach lateral bewegen.
Da bei der Körperbelastung auf den Beinen das Becken auf dieser
Seite, zusammen mit dem zugehörigen Bein, in seinem distalen
Anteil nach lateral ausweichend mitgehen muss, ohne die
Möglichkeit der gleichzeitigen Anhebung dieser Beckenseite beim
Stehen und Gehen nach superior zu haben, ist die zwangsläufige
Folge, dass das Os coxae auf dieser Seite - bei gleicher
Höhenstellung der Hüftgelenke - zwangsläufig entgegen
der Normalfunktion etwas nach lateral abweicht, was dann im Bereich des
Os ischii und der Symphyse am deutlichsten sichtbar bzw. palpierbar
ist.
Da das Iliosakralgelenk jedoch ligamentär stark gegen laterale
Scherkräfte gehalten ist kommt es, außer eventuell nach
starken traumatischen Einwirkungen, nicht zur inferior-distalen
Lateraltraktion als Scherbewegung in einem Iliosakralgelenk, die mit
einer entsprechend starken inferioren
ISG-Gelenkspaltvergrößerung einhergehen würde. Demnach
muss das Os sacrum, wie beschrieben, ebenfalls etwas um seine
Sagittalachse parallel zum beschriebenem Os coxae diesem folgend mit
seinem inferioren Anteil nach lateral von der Medianebene abweichen.
Das dem primär betroffenen und bereits beschriebenen Os coxae
gegenüberliegende folgt aus dem gleichen genannten Grund parallel
zur Seitabweichbewegung den beiden erwähnten Beckenknochen, also
dem Os sacrum und dem gegenüberliegendem Os coxae, in seinem
inferioren Anteil in die selbe Richtung, auf dieser Seite also nach
medial-lateral, und es entsteht dabei die, bei der Dynamischen
Wirbelsäulen-Therapie so benannte, ,Parallele
Medio-Lateralverschiebung".
Abbildung 9
Pathomechanisches Prinzip der
Iliosakralgelenks-Funktionsasymmetrie um die Sagittalachsen.
Eine einseitige Kontraktur des M.
iliacus führte zu einer Daueradduktion des
seitengleichen
Beines führen, würde der Patient nicht, unterstützt
durch sein Körpergewicht, passiv mit der betreffenden inferioren
Beckenseite nach lateral abweichen (Invertierung von Punctum fixum und Punctum mobile).
Da jedoch diese Beckenseite sowie das dazugehörige
Bein in den Steh- und Gehbelastungen nicht nach kranial und die der
Gegenseite nicht mit dessen Bein nach inferior bzw. distal in den Boden
ausweichen kann, wird das gesamt Becken um die transversalen Achsen der
beiden
Iliosakralgelenke und des Kreuzbeins inferior zu der Seite
„gedrückt” bzw. „geschoben”, auf welcher der
kontrakte Beckenanteil des M. Iliopsoas sich befindet und
die gesamte Beckenschaufel auf dieser Seite
durch das Hebelverhältnis im Iliosakralgelenk etwas angehoben (das
inferiore Becken verlagert sich medial des Hebeltotpunktes im
Verhältnis dazu nach distal-inferior). Die gegenüberliegende
Beckenschaufel sinkt dagegen im Stand etwas ab, da das
inferiore Becken sich in Relation dazu medial des Hebeltotpunktes nach
superior verlagert.
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Weniger als die beiden anderen beschriebenen Arten der Iliosakralgelenks-Fehlstellung kann diese parallelogrammartige Medial-Lateralverschiebung der drei großen Beckenknochen die Ursache für eine funktionelle ,Beinlängendifferenz" im bezug der Strecken der Kreubeinbasis zu den Hüftgelenken und damit zur Standfläche sein. Es wird die Strecke in der Frontalebene der Transversalachsen vom Promontorium und den Hüftgelenken, und damit wieder zur Standfläche am Fuß, im Vergleich zu den beiden beschriebenen Iliosakralgelenks-Nutationsfixierungen um die Transversalachse, bezogen auf ihre Neutral-Null-Stellung, nur minimal größer und somit also im Vergleich zur Normalbeckenstellung auf jener Seite länger, auf der eine Parallelverschiebung im inferioren Becken mit Verlagerung des Os ischii nach lateral besteht (wieder im Vergleich zur physiologischen Neutralstellung des gesamten Beckens). Das zum kontrakten M. iliacus homolaterale Hüftgelenk ist dabei etwas nach lateral-distal zu dessen Neutral-Null-Stellung in seiner Lage zum Os sacrum und zum gegenüberliegenden Os coxae verlagert. Damit ist das Bein dieser Seite, bezogen auf das Promontorium, funktionell über das Becken etwas ,länger" erscheinend im Vergleich zur Normalstellungssituation des Beckens. Auch dieser Umstand muss bei der Beurteilung einer Beckenfehlstellung im Bezug zu einer zu befundenden Beinlängensituation beachtet werden!
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Beim Vorliegen dieser Fehlstellung gibt der Patient meist
einen Schmerz im Bereich des kaudalen Iliosakralgelenksareales in
Höhe der Spina iliaca posterior inferior bzw. im inferioren Anteil
der Ligg. sacroiliaca post. et sacrospinale durch den dabei dort stark
auftretenden Dehnreiz auf der Beckenseite an, die distal mit dem Os
ischii und dem Tuber ischiadicum nach lateral von der
Neutral-Null-Stellung abgewichen ist.
Zudem ist häufig die Region distal der Lacuna musculorum durch den
Kontrakturzug des M. iliacus, ähnlich dem Primärschmerzbild
des Patienten mit einer Coxarthrose (durch den dabei kontrakten Mm.
psoas major et minor), schmerzhaft.
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Nach der Mobilisation eines im Endbewegungsraum um die
Transversalachse rotiert-immobilen Iliosakralgelenkes fällt die
Parallele Medio-Lateralverschiebung besonders gut beim Tastbefund auf.
Da es bei dieser Beckenfehlstellung zum beschriebenen seitlichen
Abweichen jeweils eines Os ischii nach lateral, also weg von der
Medianlinie in Beziehung zur Neutral-Null-Stellung, und etwas nach
inferior kommt, wobei das gegenüberliegende dann zusätzlich
leicht nach superior und medial von seiner Neutralstellung abweicht,
zeigt der Tastbefund hier den zu seiner Seite nach lateral von der
Neutral-Null-Stellung und Mittellinie abgewichenen Tuber ischiadicum
als den scheinbar mehr nach inferior-distal aus den Glutäen
,herausstehenden", da dieser lateral zum gegenüberliegenden Os
ischii besser im seitlichen Anteil der Glutäalmuskulatur tastbar
und etwas inferior zu diesem befindlich ist.
Der Sitzbeinhöcker der Gegenseite liegt in bezug dazu mehr medial,
leicht superior und somit etwas weniger nach distal erhaben tastbar in
den Glutäen.
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Im Röntgenbefund zeigt sich analog zu ihrer Pathomechanik die reine Parallele Medio-Lateralverschiebung bei der a.-p.-Aufnahme als eine beidseits gleich hohe Symphysenverschiebung, d. h. dass die Ober- und Unterkanten der Ossa pubis gleich weit nach kranial und kaudal gegeneinander verschoben sind, was häufig als Symphysenverschiebung oder einseitiger Symphysenhochstand befundet wird.
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Die Maßnahmen der Dynamischen
Wirbelsäulen-Therapie gegen diese Art der Beckenfehlstellung
erstreckt sich auf der Inferior-Seite der Parallelen
Medio-Lateralverschiebung zum einen auf die spezifische Dehnung der
posterioren Bänder im Bereich des
Iliosakralgelenks in der Bewegungsachse von dessen superior-anteriorem
Anteil zum ebenfalls superior-anterioren Symphysenrand, also grob
betrachtet in der Longitudino-Sagittalachse. Dabei kommt es primär
am gedehnten
Iliosakralgelenk zu einer dorsalen Dehn- und Öffnungsbewegung, die
palpierbar ist zwischen der Crista iliaca post. sup. und der
Dorsalfläche des Os sacrums als von medial nach lateral ablaufende
Bewegung im so gedehnten Iliosakralgelenk.
Außerdem wird eine Psoasgruppen-Teildehnung mit
manuell-reflektorischer Relaxierung des M. psoas major und minor in
Anlehnung an die Art manueller Muskeldehntechniken von MARNITZ †,
zuerst am cranialen, dann an dem medialen Anteil des jeweiligen M.
psoas major/minor, ausgeübt mit daran anschließender
resistiv-exzentrischer Dehnanspannungung des M. piriformis als
muskeldynamische Variante der von HELMRICH sen. † entwickelten passiven
Piriformisdehnung in Verbindung mit einem Kältereiz durch kurze
aber kräftige Eismassage im Bereich des Piriformisansatzes
über den M. tensor fasciae latae am Tuber ischiadicum majus um,
wie es sich gezeigt hat, eine rasche reaktive Neuverspannung der
Psoasgruppe zu verhindern.
Als Maßnahme seitens des Patienten führt dieser eine
phasische Femurinnenrotation mit passiver geführter
Hüftadduktion in angepassten
verschiedenen Techniken im Rahmen seiner täglichen
Übungsbehandlungen durch.
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Literatur:
1 ILLI Die Wirbelsäule, ihre Mechanik, Statik,
Dynamik, ihre funktionelle Bedeutung für die Fortbewegung und ihre
Behandlung, Genf, 1952
2 CRAMER Iliosakralmechanik, Asklepios, 1965
3 LEWIT Manuelle Medizin, München, 1984
4 WINKEL Nichtoperative Orthopädie, Stuttgart, 1992
5 KAPANDJI Anatomie der Gelenke, Stuttgart, 1992
6 MENELL Vol. II. the spinal collumn, London, 1952
7 MARNITZ Schlüsselzonenmassage, Heidelberg
8 HELMRICH, H. E. Passive Entspannung, Heidelberg, 1975
© 1982 - 1998 by Friedrich Ch. Horn
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