Beinlängendifferenzen - Ursachen und deren Bestimmung

1               Anatomische Standlängendifferenz


1.1            Anatomische Standlängendifferenz -Begriffsbestimmung


1.2            Pathomechanik und Schmerzsymptomatiken den unteren Extremitäten bei anatomischer Standlängendifferenz


1.2.1         Pathomechanik und Schmerzsymptomatik am anatomisch längeren Bein


1.2.2         Pathomechanik und Schmerzsymptomatik am anatomisch kürzeren Bein


1.3            Bestimmung anatomischer Standlängen-/ Beinlängendifferenzen


1.3.1         Methodisch biomechanische Fehler bei der Bestimmung von Beinlängendifferenzen


1.3.1.1      Methode A: Stand des Probanden, unterlegen von unterschiedlich hohen Brettchen o. ä. zur Beurteilung der Beckenneigung


1.3.1.2      Methode B: Stand des Probanden, Messung mit der sog. "Beckenwaage"


1.3.1.3      Methode C: Röntgenbildbeurteilung einer a.-p.-Röntgenaufnahme des Beckens am stehend aufgenommenen Patienten


1.3.1.4      Methode D: Beurteilung der Stellung beider Füße bzw. der medialen Malleolen zueinander am Patienten in Bauch- oder Rückenlage


1.3.1.5      Methode E: Der Untersuchte liegt in Rückenlage, die Fuß- und Knöchelstellung zueinander wird in bezug zu deren Proximal-/Distalstellung, nachfolgend deren Veränderung beim Aufsetzen des Probanden und nochmals in dessen Sitzstellung, beurteilt.


1.3.1.6      Methode F: Messung der Strecke vom Becken (entweder anterior von der Spina iliaca anterior oder posterior von der Spina iliaca posterior) zum jeweils homolateralen Fuß bzw. dem medialen Malleolus, vergleichend zur Gegenseite am liegenden Patienten, egal ob in Bauch- oder Rückenlage


1.3.1.7      Methode G: Messung der Strecke beidseits jeweils vom Trochanter major femoris zu beiden Füßen bzw. den medialen Malleolen am liegenden Patienten, egal ob in Bauch- oder Rückenlage


1.3.1.8      Methode H: Beurteilung einer a.-p.-Röntgenaufnahme des Beckens eines liegenden Patienten, egal ob in Bauch- oder Rückenlage


1.3.2         Anatomisch-biomechanisch reproduzierbar aussagekräftige Beinlängendifferenzerfassung


1.3.2.1      Vorläufige Übersichtsmessung zur Bestimmung anatomischer Bein- bzw. Standlängen - Messung A


1.3.2.2      Übersichtsmessung zur Bestimmung der Standlängen unter Einbeziehung der Oberschenkelhalsstellungen und eventueller  Höhenunterschiede der Ossa coxae - Messung B


1.3.2.3      Nebenbefund der Messung am Patienten bei der  Standlängendifferenzbestimmung als Verdachtshinweis auf eine Anomalie des  Collum femoris


1.3.2.4      Standlängendifferenzbefund am Röntgenbild zur  biomechanisch-statischen Befundung der  Standlängen der Beine - Messung C


1.3.3         Ausgleich einer anatomischen Standlängendifferenz


1.3.3.1      Vorläufiger Probeausgleich einer anatomischen Standlängendifferenz


1.3.3.2      Vorläufiger Ausgleich einer anatomischen  Standlängendifferenz bei Jugendlichen


1.3.3.3      Endgültiger Ausgleich einer anatomischen  Standlängendifferenz

2                Funktionelle Standlängendifferenz


2.1             Pathophysiologie und Biomechanik der  funktionellen Beinlängendifferenz


2.1.1         Funktionelle Verlängerung der Standlänge


2.1.2         Funktionelle Verkürzung der Standlänge


2.2            Schmerzsymptomatik bei der funktionellen Beinlängendifferenz


2.3            Befundung einer funktionellen Beinlängendifferenz


2.3.1         Messbefundung einer funktionellen Beinlängendifferenz bei einer Iliosakralgelenks-Immobilität mit Anteversionsstellung des betreffenden Os coxae zu dessen Neutral-Null-Stellung


2.3.2         Messbefundung einer funktionellen Beinlängendifferenz bei einer Iliosakralgelenks-Immobilität mit Retroversionsstellung des betreffenden Os coxae zu dessen Neutral-Null-Stellung


2.3.3         Röntgenbefundung einer funktionellen Beinlängendifferenz


2.3.4         Ausgleich - Therapie einer funktionellen Beinlängendifferenz


 

Schlüsselworte:

Standlängendifferenz, anatomische Beinlängendifferenz, funktionelle/variable Beinlängendifferenz, Iliosakralgelenke, Beckenverwringung, Iliosakralgelenks-Anteversionsstellung/Retroversionsstellung
 

Allgemeines

Es scheint nirgends im Bereich der physikalischen Therapie und deren orthopädischer Zuweisungsinstitutionen eine solche Begriffsunterschiedlichkeit zu herrschen wie beim Thema Beinlängendifferenzen. Dies trifft sowohl zu auf die Sichtweise der biomechanischen Gegebenheiten wie auch auf deren Befundung.
Etwa die Hälfte der Menschen haben tatsächlich anatomisch gleich lange Beine (es verwundert, ob deren Länge), betrachtet man die Strecke vom Oberschenkelkopf bis zu den Fußsohlen. Oft wird jedoch eine Beinlängendifferenz beobachtet und befundet, die nichts mit einer anatomischen Längendifferenz der Beine zu tun hat, sondern eine sogenannte "funktionelle" oder "variable" Beinlängendifferenz ist. Dabei sind, wie dies bei zahlreichen Menschen vorliegend ist, nach einer Verschiebung aller drei großen Beckenknochen gegeneinander, also der Hüftbeine und des Kreuzbeins, mit ursächlich primärer oder reaktiver muskulärer und ligamentärer Fixierung, die Auflagepunkte des Beckens auf den Beinen und den Hüftgelenken gegenüber der Basis des Kreuzbeines, welche die Wirbelsäule trägt, zu deren Normalstellung abgewichen. Dadurch scheinen die Beine unterschiedlich lang zu sein. Eine Differenz besteht dann zwar in der Funktion der Gesamtbeckenstellung zwischen der Basis der Wirbelsäule und der Hüftgelenke, obwohl die Beine dabei anatomisch gleich lang sein können. Eine solche funktionelle, also variable, Fehlstellung als Ursache für eine scheinbare Beinlängendifferenz lässt sich u. a. bei der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie passiv und reflektorisch, unter beständiger Mitarbeit des Patienten durch dessen Durchführung der ihm bei dieser Therapie gelehrten Übungen, langfristig meistens weitestgehend beheben und braucht bzw. darf somit nicht durch Sohlenerhöhung ausgeglichen zu werden.
Ein Beinlängendifferenzausgleich bei einem einwandfrei befundeten anatomisch kürzeren Bein muss jedoch immer erfolgen, möglichst schon bei geringen Differenzen ab 4 mm, am besten über den ganzen Sohlenverlauf vom Fersen- bis zumindest zum Metatarsophalangealbereich, besser noch unter den Zehen verlaufend, um eine bei den Steh- und Gehbelastungen gleiche Unterschenkelextensoren- und -flexorenbelastung zu erreichen <siehe dazu 1.3.3.3>.
Da es sich in der Praxis zeigt, dass minimal auch unterschiedliche Breiten der Gelenkspalten der Hüftgelenke, Knie und Sprunggelenke sowie - wenn  vorliegend, dann etwas ausgeprägter - unterschiedliche Radien der Beine wie z. B. beim Genu valgum oder Genu varum, sowie verschiedene Lateralstellungen der Sprunggelenke wie beim Klumpfuß (Pes equinovarus adductus) oder Knickfuß (Pes pronatus oder valgus) bzw. bei Knick-Plattfuß (Pes planovalgus) mehr oder weniger geringe aber doch beachtenswerte Längendifferenzen zwischen der Fußaufstandsfläche am Boden und den proximalen Enden der Beine an den Hüftgelenken ergeben können, sollte m. E. besser von „Standlängendifferenzen” gesprochen werden.
 
 

 

 

 

 

 

Abb. 1
Obwohl das rechte Bein eine Varusstellung aufweist
und das linke untere Sprunggelenk valgisiert ist,
beide Beine also eigentlich in ihrer anatomischen Struktur unterschiedlich lang sind (anatomisch-morphologische Differenz), ist der Hüftgelenksabstand zur Standfläche am Boden beidseits gleich (biomechanisch-statische Differenz), was als Null-Standlängendifferenz zu werten ist.

 

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1 Anatomische Standlängendifferenz

1.1 Anatomische Standlängendifferenz - Begriffsbestimmung (vobis exceptis Fußgewölbeausprägung)

Eine anatomische Beinlängen- bzw. Standlängendifferenz kann wachstumsbedingt oder durch traumatische Einwirkung entstanden sein. Es besteht dabei eine Seitendifferenz zwischen der linken und rechten Strecke von den Femurköpfen zur jeweils seitengleichen Aufstandsfläche des Fußes. Diese wird bei der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie als solche betrachtet, wenn sie morphologisch besteht durch Distanzunterschiede zwischen linkem und rechtem Bein auf den beiden direkten tangentialen Strecken jeweils vom Caput femoris zur homolateralen Fußbelastungsfläche – letztere betrachtet zwischen den Procc. lateralis und medialis tuberis calcanei, der Basis ossis metatarsalis IV und den Ossa sesamoidea pedis –, wie z. B. einer unterschiedlichen Länge bzw. Winkelstellung des Femurs, von Tibia und Fibula oder der Schenkelhälse zwischen linkem und rechtem Bein, aber auch zur, wiederum veränderbaren, unterschiedlichen Ausprägung der Fußlängs- und Quergewölbe mit unterschiedlichen Winkelstellungen im oberen Sprunggelenk bzw. deren Anhebung oder Absenkung zueinander im Seitenvergleich (verhältnismäßig selten zeigt sich eine anatomische Abweichung in den Ossa coxae bezüglich des Abstands der Hüftgelenkspfannen zur Basis des Os sacrum — eine solche im Röntgenbild erkennbare Differenz ist meistens eine funktionelle Verschiebung dieser großen Beckenknochen gegeneinander auf der sagittalen Medianebene in der Symphyse über die transversale Hauptsache der Iliosakralgelenke <siehe dazu „Biomechanische Grundlagenbetrachtungen zur Beckenstatik" 1.3>).

Abb. 2 links
Die Lage der beiden Oberschenkelköpfe zeigt, dass das rechte Bein anatomisch kürzer ist als das linke.
Ebenso schräg wie die waagrechte Ebene beider Hüftgelenksköpfe liegt jene, die über die beiden Beckenkämme liegt.
Der Befund zeigt also: Rechtes Bein anatomisch kürzer bei in sich nicht fehlgestelltem Becken.

 

Abb. 2 rechts
Beide Femurköpfe liegen waagrecht im Raum, die Hüftgelenke liegen ebenfalls in einer waagrechten Linie darauf auf.
Das zeigt, dass beide Bein anatomisch gleich lang sind.
Die Ebene über beiden Beckenkämme ist jedoch rechts weiter distal (unten) als links.
Der Befund zeigt also: Beide Beine anatomisch gleich lang bei in sich fehlgestelltem Becken mit Anhebung des rechten Hüftgelenkes = Absinken der seitengleichen Beckenseite.


Diese biomechanisch am meisten die physiologische Auswertung von Beinlängendifferenzen in die Funktionsbetrachtungsweise mit einbeziehende Beurteilung – also die statische Länge der beiden Abstandsflächen des gesamten Beckens zur Standfläche beim Stehen und Gehen – muss die funktionelle Verschiebung der proximalen Beinlager (Hüftgelenke) in bezug zum Os sacrum, die bei den meisten Patienten vorzuliegen scheint, bei der Befunderhebung berücksichtigen. Sie ist, bei deren Vorhandensein, durch entsprechende therapeutische Maßnahmen für den Betreffenden nachhaltig zu beheben.
Anatomische Beinlängendifferenz/Standlängendifferenz = Längendifferenz zwischen den beiden tatsächlichen Standflächen eines Menschen zu den beiden Hüftgelenksachsen unter Berücksichtigung dessen Stellung der Füße unter Belastung auf der Standfläche und nicht gegeneinander nutierten und dabei in Gegenrichtung zueinander uni- oder bilateral gegen das Kreuzbein fixierten Hüftbeinen.

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1.2 Pathomechanik und Schmerzsymptomatik an den unteren Extremitäten bei anatomischer Standlängendifferenz

Durch die vielfältigen funktionsbedingten Kompensationsmechanismen des Körpers beim Stehen und Gehen unter einer bestehenden und nicht ausgeglichenen anatomischen Standlängendifferenz kann diese Ursache für zahlreiche Beschwerden sein. Die menschliche Bewegungssteuerung strebt einen Ausgleich von statischen und funktionsstatischen seitendifferenten Asymmetrien im Gesamtbewegungssystem durch mehr oder weniger ausgeprägte und unterschiedliche Ausgleichsmechanismen an, die ihrerseits dann Überlastungen zur Folge haben können. Hier an dieser Stelle wird nur auf solche der unteren Extremitäten eingegangen. Natürlich bauen sich auch die Funktionsachsen und -ketten der Wirbelsäule einseitig ausgleichend bei einer vorliegenden anatomischen Beinlängendifferenz auf, doch weisen diese, bedingt noch durch andere Faktoren, so zahlreiche Varianten auf, dass dazu eigene Abhandlungen nötig sind.

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1.2.1 Pathomechanik und Schmerzsymptomatik am anatomisch längeren Bein

Bei einem anatomisch längeren Bein wird dieses in der Regel zur funktionellen Längenkompensation beim Gehen mehr in Außenrotation bewegt als das gegenseitige, wodurch es am längeren Bein zuerst am medialen Anteil des Kniegelenks zu Reizzuständen durch die dadurch bedingte periostal-ligamentäre Überlastung im Insertionsbereich der medialen Band- und Kapselstrukturen kommt (Ligg. colalaterale tibiale, meniscus med. und meniscopatellare, Retinaculum patellae med., Tendi mm. sartorii, gracilis, semitendinosi [zusammen den Pes anserinus superficialis bildend], semimembranosi [Pes anserinus profundus]). Die weitere Folge davon ist auf dieser Seite ein einseitig kontrakterer Spannungszustand im M. iliopsoas durch erwähnte Außenrotationsstellung des Femurs mit ebenfalls längenkompensierender zunehmender Hüftflexionsstellung.
Die Außenrotation am längeren Bein bei der Gehbelastung bewirkt, dass der zusammen mit dem gesamten Bein nach außen rotierte belastete Fuß in dessen Abrollphase über die Achse des unteren Sprunggelenks vermehrt in eine Pronations- bzw. Eversionsstellung kommt, über die der druckbelastete Fuß eine Valgusstellung in Richtung Knickfuß einnimmt. Dadurch kommt es zur, wenn auch geringen, Inferiorabsenkung der Tibia als minimale Längenkompensation im Sinne einer pedal-funktionellen Stand- bzw. Gehaktionsdistanzverringerung am betreffenden Bein, wodurch sich mit der Zeit auch zunehmend beim Patienten das Fußlängsgewölbe absenkt hin zum Pes planovalgus. Bei einem solchen bewegungsfunktionellen Ausgleichbestreben entgegen der Funktion eines anatomisch längeren Beins sind zuerst Überbelastungsschmerzen am medialen Kniegelenk zu erwarten. Erst später reagiert auch die Region der Lacuna musculorum femoris mit einem dem typischen Schmerzbild bei einer Coxarthrose ähnlichen Leistenschmerz, bevor sich auch noch am Unterschenkel im Bereich des mediale Malleolus ein entsprechender Dehn- bzw. Überlastungs- und Übermüdungsscherz einstellt.
Trägt der Patient dazu noch zu enges Schuhwerk, so können sich metatarsophalangeale Kompressionssymptome einstellen bis hin z. B. zum Morton-Syndrom.


 

 

 

Abb. 3

Mögliche Schmerzsensationen als Überlastungsfolgen an einem längeren Bein:
Kniegelenk medial
Bereich der Lacuna musculorum
medialer Malleolus, Bereich des unteren Sprunggelenkes
distaler Metatarsophalangealbereich

 

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1.2.2 Pathomechanik und Schmerzsymptomatik am anatomisch kürzeren Bein

Entgegen den beschriebenen Folgen an einem anatomisch längeren Bein erfolgt eine funktionelle Ausgleichkompensation am anatomisch kürzeren Bein dadurch, dass der Fuß dieser Seite in den Abrollphasen beim Gehen mehr als jener der Gegenseite in die Gehbewegungsrichtung gerichtet ist, also weitestgehend im rechten Winkel zur Körperfrontalebene mit einer verstärkten Abrollbewegung des distalen Fußes im Bereich der Metatarsophalangealgelenke, wodurch es dort häufig zu früh einsetzenden Schmerzsensationen kommt. Das Fußlängsgewölbe ist hierbei meist kräftiger ausgeprägt bei schwachem Quergewölbe einer Hohlfußstellung im Sinne eines Pes excavatus bzw. arcuatus, häufig verbunden mit einer Varusstellung im unteren Sprunggelenk.
Hierbei tritt zuerst ein Schmerz in den proximalen pedalen interphalangealen Gelenken, bevorzugt in den Zehengrundgelenken I bis III, durch verstärkte Zehendorsalextensionsstellung und -bewegung auf, wodurch die plantaren Bänder und Kapselanteile dort einem unphysiologisch erhöhten Dehn- und Druckreiz ausgesetzt sind. Später stellt sich dann auch oft noch eine periostale Reizung im dorsalen Fußbereich ein beim Gebrauch entsprechend eng geschnürter Schuhe.

 

 

 

 

Abb. 4
Mögliche Schmerzsensationen als Überlastungsfolgen an einem kürzeren Bein:
Metatarsophalangealgelenke plantar
Periostreiz im Bereich des dorsalen Metatarsalbereiches

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1.3 Bestimmung anatomischer Standlängen-/Beinlängendifferenzen

1.3.1 Methodisch biomechanische Fehler bei der Bestimmung von Beinlängendifferenzen

Diese hier nur im Abriss erfolgten Ausführungen mögen vielleicht deutlich machen, dass m. E. die im folgenden aufgeführten Methoden zur Bestimmung des Längenverhältnisses der Beine nicht geeignet sind, diese nach biomechanischen Gesichtspunkten auf die Patientenfunktion bezogen richtig zu erfassen.

1.3.1.1 Methode A: Stand des Probanden, unterlegen von unterschiedlich hohen Brettchen o.ä. zur Beurteilung der Beckenneigung

Fehler a: Beurteilung der Standlängen der Beine, ohne dabei die Möglichkeit zu haben, erkennen zu können, wie die proximalen Bein-Beckenlager (Hüftgelenksachsen) in deren Verhältnis zueinander und somit zum Kreuzbein – damit auch zum Becken – stehen = Nichtbeachtung funktioneller Ursachen für eine Bein-Beckenstanddifferenz <siehe 2.1>.

Fehler b: Nicht mögliche Feinabstufung einer nötigen Differenzierung der Längendifferenz in einzelnen Millimeterschritten.

Fehler c: Stark subjektive Beurteilung der seitlichen Höhenabweichung des Beckens.

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1.3.1.2 Methode B: Stand des Probanden, Messung mit der sog. „Beckenwaage"

Die Beckenwaage ist eine Wasserwaage mit Scherenarmen zum Anlegen an gewünschten Bezugspunkten am Becken bzw. den proximalen Anteilen der beiden majoren Trochanteren. Diese Methode zeigt nur vage, dass bzw. ob eine Differenz zwischen den Längen beider Beine (Standstrecken) zum jeweiligen Trochanter major femoris und/oder von dort nochmals zur Beckenbasis besteht, ohne dabei aufzuzeigen, ob es sich dabei um eine Hüftbeinnotations-bedingte handelt (funktionelle Stand-/Beinlängendifferenz) und ist m. E. nur übesichtsmäßig experimentell von Interesse.

Fehler a: Bei der Auflage auf die beiden Cristae iliaca — siehe den Fehler a von Methode A <1.3.1.1>.

Fehler b: Zu hohe Unterschiedsmöglichkeit der bei der Anlage der Scherenarme aufeinander geschobenen Hautfaltendicke auf den Beckenkämmen und u. U. an den beiden majoren Trochanteren, wobei alleine schon dadurch sich das Bild einer Höhendifferenz ergeben kann.

Fehler c: Siehe Fehler b der Methode A <1.3.1.1>.

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1.3.1.3 Methode C: Röntgenbildbeurteilung einer a.-p.-Röntgenaufnahme des Beckens am stehend aufgenommenen Patienten

Fehlermöglichkeit a: Beurteilung der Höhe beider Beckenkämme. Bei der häufig vorliegenden (und zu therapierenden) Mobilitätsasymmetrie zwischen beiden Iliosakralgelenken und den damit einhergehenden seitendifferent möglichen Endstellungsräumen der Ossa coxae gegen das Os sacrum in Belastung, mit daraus resultierender Höhenstellungsdifferenz der Kreuzbeinbasis bzw. deren unterschiedlich sich damit darstellender Höhenprojektion der beiden Hüftbeine zueinander und zu den Hüftgelenken, ergibt diese Betrachtung nur das Bild einer Beckenstellung „gerade" oder „schief", ohne deren Ursache anatomischer oder funktioneller Art definieren zu können <siehe 2.3.3>.

Fehlermöglichkeit b: Beurteilung einer lateralflektorischen Seitenabweichung der Lendenwirbelsäule.
Diese kann aus einer anatomischen Beinlängendifferenz, einer wie zuvor beschriebenen Torsion der Hüftbeine gegeneinander um die Transversalachse über das Os sacrum mit daraus resultierender funktioneller Bein-Beckenfehlstellung (funktioneller Beinlängendifferenz) oder ausschließlich durch primäre Muskelaktionsasymmetrien (muskuläre Dysbalancen) im Bereich der Lenden- bzw. gesamten Wirbelsäule herrühren.

Richtig: Am allernähesten an die statisch-biomechanischen Gegebenheiten im Sinne physikalischer Gesetzmäßigkeiten kommt die Beurteilung des Höhenabstandes der beiden Femurköpfe zur Röntgenbildunterkante. Dabei ist es jedoch sehr bedeutsam, dass der Untersuchte während der Anfertigung der Aufnahme mit seinem Kreuzbein weitestgehend parallel zur Röntgenfilmebene und mit beiden Beinen/Füßen in gleichem Innen- bzw. Außenrotations- und Abductionswinkel gestanden hat und der Röntgenfilm auch exakt in die Passung der  Filmkassette eingelegt war <siehe dazu die Ausführungen zur möglichst exakten und reproduzierbar verwertbaren Methode der Beinlängendifferenzbestimmung unter 1.3.2.4>.

Abb. 5
Beurteilung einer a.-p.-Röntgenaufnahme des Beckens, aufgenommen am stehenden Patienten

Die rote Linie ist über beide Femurköpfe gelegt und zeigt, dass deren Stand waagrecht ist.

Die grüne Linie ist parallel zur roten waagrecht und liegt auf der rechten Basis ossis sacri auf (linke Bildhälfte),
links (rechte Bildhälfte) ist von der grünen Linie zur Kreuzbeinbasis noch ein Abstand von 24 mm (orangefarbenes Viereck)

= der rechte Beckenkamm steht durch eine Iliosakralgelenksdysfunktion weiter kranial (höher), obwohl die Femurstellung gleich hoch ist.
Trotz offensichtlich anatomisch gleich langen Beinen besteht also ein Beckenschiefstand auf dem sich auch die Wirbelsäule mit einer lateralflektorischen Biegung schief aufbaut.

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1.3.1.4 Methode D: Beurteilung der Stellung beider Füße bzw. der medialen Malleolen zueinander am Patienten in Bauch- oder Rückenlage

Fehler: Sowohl eventuell vorliegende Beckenverwringungen um die transversale Achse wie auch einseitige lumbo- bzw. tharaco-pelvicale muskuläre Kontrakturen mit möglicher unilateraler Beckenneigung um die Sagittalachse (z. B. einseitige Anspannung des M. quadratus lumborum oder der Mm. psoas major et minor, der Mm. iliocostalis lumborum und longissimus oder des M. obliquus ext. abdominis) ergeben mit absoluter Sicherheit dabei das scheinbare Bild einer Längendifferenz der Beine, ohne dass eine solche anatomisch gegeben sein muss, da hierbei das Becken einseitig nach cranial „eingezogen" wird.

 

 

 

 

 

Abb. 6
An einem in Bauchlage sich befindenden Menschen die Beurteilung einer Beinlängendifferenz an der Stellung der Füße bzw. Innenknöchel zueinander vorzunehmen ist falsch, da auch nicht sichtbare einseitige Muskelaktionen, die das Becken auf einer Seite nach cranial ziehen, alle möglichen Bein-/Fußstellungen erscheinen können.

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1.3.1.5 Methode E: Der Untersuchte liegt in Rückenlage, die Fuß- und Knöchelstellung zueinander wird in bezug zu deren Proximal-/Distalstellung, nachfolgend deren Veränderung beim Aufsetzen des Probanden und nochmals in dessen Sitzstellung beurteilt.

Fehler: Entsprechend der Fehlerquelle wie bei der Methode D <1.3.1.4> muss die dort angesprochene einseitige Muskelverspannungsmöglichkeit natürlich auch in diesem Fall als Ursache des Bildes einer Differenz der Beine angenommen werden durch die mögliche Beckenrotation um die Sagittalachse und Longitudinale im Verhältnis zum Rumpf. Bei der Aufsetzaktion und Sitzhaltung des Untersuchten kommt es bei zahlreichen Patienten zu einer Bewegungs- bzw. Haltefunktion aus einseitigen muskulären Aktionen der unter Methode D <1.3.1.4> erwähnten Muskeln, wobei hierbei jedoch noch besonders die Aktivitäten der Mm. rectus abdom. et. pyramidalis hinzukommen mit ihrem Einfluss auf Beckendrehungen sowie Seitneigungen im bezug zum Rumpf und der gesamten Liege- und Sitzhaltung, die eine Bein-Fußstellungsdifferenz in diesem Fall vortäuschen können.

Auch ist diese Methode m. E. nicht zur Iliosakralgelenks-Funktionsprüfung, zu der sie immer wieder herangezogen wird, geeignet, da hierbei die allgemein bekannte lendenwirbelsäulenbelastende Zugaktion der Mm. iliopsoas major et minor während der ersten ca. 45°der Hüftbeugeaktion voll zur Wirkung kommt — und das bei einem damit untersuchten Patientengut, welches als besonders gefährdet anzusehen ist für solche Überlastungsbeanspruchungen!

 

 

 

Abb. 7
An einem in Bauch- oder Rückenlage sich befindenden bzw. sitzenden Menschen die Beurteilung einer Beinlängendifferenz oder die Unterscheidung zwischen anatomischer und funktioneller Beinlängendifferenzen an der Stellung der Füße bzw. Innenknöchel oder der Unterschenkelverschiebung beim Aufsetzten aus der Rückenlage vorzunehmen ist falsch, da auch nicht sichtbare einseitige Muskelaktionen, die das Becken auf einer Seite nach kranial ziehen (unterer Rumpf/Beckengürtel mit transversaler Beckenachse, oberer Rumpf/Schultergürtel und transversale Schultergürtelachse) oder den Rumpf in sich gegeneinander verdrehen lassen (z. B. das Becken gegen den Oberkörper), alle möglichen Bein-/Fußstellungen erscheinen lassen können.

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1.3.1.6 Methode F: Messung der Strecke vom Becken (entweder anterior von der Spina iliaca anterior oder posterior von der Spina iliaca posterior) zum jeweils homolateralen Fuß bzw. dem medialen Malleolus, vergleichend zur Gegenseite am liegenden Patienten, egal ob in Bauch- oder Rückenlage

Fehler: Auch dabei wird eine, bei den meisten Patienten mehr oder weniger stark ausgeprägte und sich auswirkende vorliegende Beckenverwringung, die zu funktionellen Stellungsdifferenzen der Beine in bezug zur Beckenstellung führen kann, nicht beachtet und führt so meist nicht zur exakt zu fordernden mechanisch-anatomischen Aussage der hier angesprochenen Thematik.

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1.3.1.7 Methode G: Messung der Strecke beidseits jeweils vom Trochanter major femoris zu beiden Füßen bzw. den medialen Malleolen am liegenden Patienten, egal ob in Bauch- oder Rückenlage

Fehlermöglichkeit a: Bei dieser Messung werden mögliche seitendifferente Schenkelhalsanomalien, die jedoch verhältnismäßig wenig häufig vorliegen, aber doch vorkommen können, nicht beachtet.

Fehlermöglichkeit b: Durch unterschiedlich im Trochanterbereich ausgeprägtes Gewebe oder durch generell stark ausgebildetes Unterhautgewebe, z. B. bei adipösen Patienten, können oft nicht beidseits die sich entsprechenden gleichen Trochanterstrukturen für eine Messung reproduzierbar ertastet und als proximale Messbezugspunkte herangezogen werden.

Bedingt richtig: Es kann diese Art der Messung vor einer anatomisch-biomechanisch relevanten Messung <unter 1.3.2.2 und 1.3.2.3 dargestellt> als vorläufige „Trendmessung" wegen deren weitestgehend guter Längenerfassungsmöglichkeit beider Beine – zumindest, bei exakter Messdurchführung von den Trochanter-major-Messpunkten an deren markant scharf sich ertastbaren distalen Anteilen bis zu den jeweils seitengleichen medialen Malleolen – betrachtet werden.

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1.3.1.8 Methode H: Beurteilung einer a.-p.-Röntgenaufnahme des Beckens eines liegenden Patienten, egal ob in Bauch- oder Rückenlage

Fehler: Dass von einer solcherart hergestellten Röntgenaufnahme keinerlei Aussage getroffen werden kann bezüglich einer gesamten Beinlängendifferenz, auch wenn der Patient mit beiden Beinen an einer definierten Quermarkierung angelegt gewesen sein mag, ist offensichtlich und bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung.

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1.3.2 Anatomisch-biomechanisch reproduzierbar aussagekräftige Beinlängendifferenzerfassung

1.3.2.1 Vorläufige Übersichtsmessung zur Bestimmung anatomischer Bein- bzw. Standlängen — Messung A

Diese Messung kann zur vorläufigen Standlängenbestimmung herangezogen werden z. B. vor einer solchen am Röntgenbild bzw. vor der möglichen Behebung einer Becken-Torsionsfehlstellung, hat aber nur eine vorläufige Aussagekraft <siehe dazu die  Fehlerbeschreibung zur Methode G unter 1.3.1.7>. Dabei wird von jeweils einem Trochanter major femoris, Pars distalis, zum homolateralen medialen Malleolus, dorso-distaler Anteil, die betreffende Messung vorgenommen. Zu den medialen Malleolen als distale Messbezugspunkte wird dabei deshalb gemessen, da diese jeweils als Teil der Tibia mit deren proximaler Gelenkfläche über das Kniegelenk direkt mit dem Femur verbunden sind und es zu keiner linearen Longitudinalverschiebung dazu kommt, wie das möglich ist über die Fibula zur Tibia und damit zum Femur.

Technik:
Die beiden medialen Malleolen werden an einem beidseits gleich markanten Sulcus an deren distal und posterior prominent gleichen Stellen markiert — die Messpunkte müssen beidseits als gleich dominant befunden werden. Diese distalen Messbezugspunkte an den med. Malleolen werden beidseits in ihrem Lageverhältnis zur Fußsohle mit einem für die Dynamische Wirbelsäulen-Therapie speziell angefertigten Distanz- und Winkelmesser verglichen, um hierbei nicht auch fehlerhafte Aussagen im Bezug zur Bein-/Standlänge durch seitendifferente unterschiedliche Sprunggelenkswinkel (Varus- oder Valgusstellungen) zu treffen.
Die Trochanter major fem. werden beidseits an ebenfalls gleich tastbaren Bezugspunkten, je einmal an deren superiorem und distalem Anteil, mit einer Hautmarkierung gekennzeichnet, um zu überprüfen, ob auch hier gleiche Messpunkte beidseits auffindbar sind, oder ob sich nicht eventuell dort schon eine, auf unterschiedliche Messpunkte hinweisende, Längenabweichung der markierten Hautstellen als Bezugspunkte ergibt, die zu Messfehlern führen würden.
Von den inferioren Trochantermarkierungen gleicher ossärer Strukturen beidseits wird daraufhin zu den mit einem dünnen Hautstift markierten erwähnten distalen Messbezugspunkten an den jeweiligen medialen Malleolen gemessen, wobei durch den Oberschenkel des Therapeuten der betreffende Fuß auf jener Seite, auf der gerade gemessen wird, in mittlerer Dorsalflexionshaltung und das Bein in einem Neutralrotationswinkel gehalten wird, um Messfehler durch unterschiedliche seitendifferente Beinrotations- und Fußflexionsstellungen zu vermeiden. Es interessieren nicht die Gesamtlängen der gemessenen Strecken, sondern nur deren eventuelle Differenz zueinander.
Diese Messung lässt jedoch auf jeder Seite die Strecke vom Trochanter major fem. zum Caput fem., und damit den Schenkelhals und den Kollodiaphysenwinkel, völlig außer acht <siehe auch 1.3.1.6>!
So zu messen, wie eben beschrieben, hat nur einen Sinn, wenn jeder Troch. major fem. gut und genau tastbar ist und stellt nur eine vorläufige, aber notwendige Messung (Schenkelhalsanomalie!) im Vergleich zur Messung B <im folgenden unter 1.3.2.2 beschrieben> dar.

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1.3.2.2 Übersichtsmessung zur Bestimmung der Standlängen unter Einbeziehung der Oberschenkelhalsstellungen und eventueller Höhenunterschiede der Ossa coxae — Messung B

Wenn eine funktionelle Beckenfehlstellung behoben werden konnte – also nach der Mobilisation immobiler Iliosakralgelenke und dem Beheben der dadurch möglichen funktionellen Beckenfehlstellung durch Gegentorsion und damit Gegennutation beider Hüftbeine gegeneinander bzw. gegen das Os sacrum um die Tansversale <siehe dazu „Biomechanische Grundlagenbetrachtungen zur Beckenstatik" 1.3.1>), wie auch eventuell um die Sagittale <siehe dazu auch „Biomechanische Grundlagenbetrachtungen ... 1.4 und 1.4.1> –, erfolgt bei der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie die Beinlängenmessung zu deren Längenbestimmung unter Einbeziehung eventuell möglicher Längendifferenzen durch Anomalie der Schenkelhälse und jener der, allerdings sehr seltenen, Längen- bzw. Höhendifferenz beider Hüftbeine zueinander.

Technik:
Der Proband liegt bei dieser Messung auf dem Bauch, damit immer wieder eine Kontrolle der Stellung der großen Beckenknochen zueinander per Tastbefund durch den Messenden erfolgen kann und eine zu Beginn der betreffenden Behandlungsserie mit der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie häufig anzutreffende sowie sich immer wieder einstellende Torsionsverschiebung der Ossa coxae gegeneinander bzw. gegen das Os sacrum in die altgewohnte Fehlstellung sofort ertastbar ist.
Außerdem kann es bei einer solchen entsprechenden inter- bzw. intrapelvinen Fehlstellung – je nach Bänderspannung und der diese unterstützenden Muskelaktionen – bei den Bewegungen, die über das Becken laufen, während der Lagerveränderung aus der Bauchlage zur Messung in der Rückenlage des Patienten (diese Bewegung läuft ebenfalls zum Teil mit statischer und dynamischer Kraftanlenkung über das Becken) nach einem entsprechenden Beckenbefund schon zu einer ersten Rückstellungsaktion aus der therapeutisch korrigierten Beckenstellung heraus in die bisher eingenommene Fehlstellung kommen. Beidseits wird bei dieser Messung von der Spina iliaca posterior superior, von jeweils der Pars superior und Pars inferior aus, zum seitengleichen medialen Malleolus als distalem Messbezugspunkt <Bestimmung siehe 1.3.2.1, Absatz 2> die jeweilige Gesamtlänge gemessen und die daraus resultierende eventuelle Längendifferenz bestimmt.
Durch dieses beschriebene Vorgehen ergibt sich ein weitestgehend genauer Messbefund bezüglich Bein-/Standlängendifferenzen, da bei achsen- und funktionsnormalem Becken die gesamte Längendifferenz der Beine zum Becken auf beiden Seiten zueinander im Bereich der kinetischen Basis der Wirbelsäule und jener des Os sacrum bis zumindest zum Talotibialgelenk erfassbar ist und so auch eventuelle Anomalien im Collum-Diaphysenbereich im Vergleich zu dem Ergebnis der vorher beschriebenen vorläufigen Übersichtsmessung A <siehe 1.3.2.1> von den Trochanteren zu den Innenknöcheln auffallen.

 

Abb. 8
Die grüne Messstrecke enthält eine konstante Strecke, jedoch ohne die Strecke Troch. major fem. - Caput femoris zu erfassen= vorläufige Übersichtsmessung (im Text als Messstrecke A bezeichnet),
die violette Messstrecke schließt zwar die gesamte Beinlänge mit ein (bei einer bestimmten Markierung des distalen Messpunktes am med. Malleolus auch unterschiedliche Winkelstellungen der unteren Sprunggelenke, also Valgus- oder Varusstellungen,
jedoch auch die Möglichkeit einer Distanzvariabilität mit ein durch eine funktionelle Beckenfehlstellung in Folge von Iliosakralgelenksdysfunktionen = Möglichkeit der Messung auch einer unbekannten funktionellen Beinlängendifferenz
(deshalb diese Messstrecke nur wählen, wenn das Becken in sich nicht verwrungen ist, also nur dann diese Strecke messen, wenn keine intrapelvine Fehlstellung besteht)!

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1.3.2.3 Nebenbefund der Messung am Patienten bei der Standlängendifferenzbestimmung als Verdachtshinweis auf eine Anomalie des Collum femoris

Ergibt sich trotz erfolgter „Beckenentwringung" durch das Beheben einseitiger torsionsfixierender ligamentärer Iliosakralgelenksimmobilitäten, also nachdem die beschriebene Beckenfehlstellung als Ursache einer funktionellen Bein-/Standlängendifferenz behoben wurde, eine Differenz zwischen den Längendifferenzmaßen der Übersichtsmessung (Messung B), von den Trochanteri majori femoris als proximalen Messbezugspunkten ausgehend <siehe 1.3.2.2>, und der vorläufigen Übersichtsmessung zur Standlängendifferenzbestimmung (Messung A), von den Spinae iliaca superior zu den distalen Messpunkten (med. Malleolen), so kann diese Längendifferenz (neben einem Messfehler, meist eines „Messanfängers", häufig am Trochanter-major-Bezugspunkt) auf eine Schenkelhalsanomalie hindeuten.

Ergibt sich trotz erfolgter „Beckenentwringung" durch das Beheben einseitiger torsionsfixierender ligamentärer Iliosakralgelenksimmobilitäten, also nachdem die beschriebene Beckenfehlstellung als Ursache einer funktionellen Bein-/Standlängendifferenz behoben wurde, eine Differenz zwischen den Längendifferenzmaßen der vorläufigen Übersichtsmessung (Messung A) – von den beiden majoren Trochantern des Femurs als proximalen Messbezugspunkten ausgehend <siehe 1.3.2.1> – und der Übersichtsmessung zur Standlängendifferenzbestimmung (Messung A) – von den Spinae iliaca superior zu den distalen Messpunkten (med. Malleolen) <siehe 1.3.2.2> –, so kann diese Längendifferenz (neben einem Messfehler, häufig vom Trochanter-major-Bezugspunkt ausgehend, meist verursacht durch einen noch ungeübten „Messanfänger",) auf eine Schenkelhalsanomalie hindeuten.
Ebenso kann sich ein Verdacht in dieser Richtung bereits ergeben, wenn bei dem Vergleich dieser beiden soeben beschriebenen Messstrecken zueinander vor der Mobilisation von gegeneinander rotiert fixierten Iliosakralgelenken bei einer solchen vorliegenden Beckenverwringung sich scheinbar gleiche Messstrecken bei beiden Messungen oder paradoxe Messergebnisse zeigen. Dies trifft z. B. zu bei einer Messung nach der Methode der vorläufigen anatomischen Standlängendifferenzbestimmung (Messung A) im Vergleich zur Übersichtsmessung (Messung B) bei einer Iliosakralgelenksimmobilität in Anteversionsstellung, wenn das Bein bei der Messung B dabei kürzer erscheint (nach den mechanischen Gesetzmäßigkeiten würde entgegen einem solchen Ergebnis eine funktionelle Bein-Beckendistanzverlängerung erwähnter Iliosakralgelenks-Anteversionsstellung zu erwarten <siehe „Biomechanische Grundlagenbetrachtung zur Beckenstatik" unter 1.3.1.1>), oder wenn das Bein bei der Messung B im Vergleich zur Messung A bei seitengleicher Iliosakralgelenks-Retroversionsstellung länger erscheint <siehe 2.1.2 und Abb. 12>. Letzteres würde ein paradoxes Messergebnis zu dem biomechanisch eigentlich konträr dazu zu erwartenden Befund darstellen, da das Hüftgelenk dieser Seite funktionell im Bezug zum Os sacrum und damit zur Frontalebene des Beckens bei dieser Fehlstellung etwas nach kranial verlagert ist und das Bein dieser Seite in bezug über das Becken zum kontralateralen Bein länger erscheinen müsste <siehe „Biomechanische Grundlagenbetrachtung zur Beckenstatik" unter 1.3.1.2>. In solchen „Verdachtsfällen" muss darauf gedrängt werden, dass der Patient durch einen Orthopäden abklären lässt, ob bzw. welche Anomalie am Schenkelhals vorliegt!

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1.3.2.4 Standlängendifferenzbefund am Röntgenbild zur biomechanisch-statischen Befundung der Standlängen der Beine — Messung C

Dazu wird in Rücksprache mit dem verordnenden Arzt bei einem entsprechenden Facharzt eine Röntgenaufnahme mit a.-p.-Strahlengang durch das Becken im Stand angefertigt.
Der Patient steht dabei auf einem lotrecht mittig zur vertikalen Mitte des Röntgenfilms liegenden Brettchen, das beide Füße bei gleicher Stellung der Fersen in der Dorsalebene des Körpers bei ebenfalls beidseits gleicher definierter leichter Außenrotation der Beine fixiert. Zudem wird darauf geachtet, dass keine einseitigen reversibel fixierte unterschiedliche Beugewinkel der Knie- und Hüftgelenke vom Patienten während der Anfertigung dieser Röntgenaufnahme eingenommen werden, sondern die Kniegelenke hierbei maximal gestreckt sind und sich die Dorsalfläche des Os sacrum parallel zur Röntgenfilmebene befindet, also keine Torsion des Beckens um die Longitudinalachse gegen die Standfläche besteht (eine gute Kontrolle dafür ist die Beurteilung der Abbildung auf dem Röntgenbild der beiden Troch. minor femoris, da bei großen Becken- und auch einzelnen Beintorsionswinkelabweichungen um die longitudinalen Achsen diese sich unterschiedlich weit nach medial reichend darstellen).
Die Beinlängendifferenz wird auf dem so angefertigten Röntgenbild von dem jeweils superioren Radius der Femurköpfe rechtwinkelig zu der Bildunterkante gemessen (nicht von den Cristae iliaca ausgehend, da es hierbei wegen der Möglichkeit komplexer Beckenfunktionsgeometrie zu möglichen Fehlbefunden kommen kann, die sich bei einer einseitigen Iliosakralgelenkshyper- bzw. -hypomobilität mit der Folge beschriebener einseitiger Höhen- bzw. Abstandsdifferenzen von den beiden lateralen Anteilen der Kreuzbeinbasis oder projektionsbedingt von den Beckenkämmen in deren Beziehung zu den Hüftgelenken ergeben können <siehe 1.3.1.3, Absatz 1, und Abb. 6>. Damit lässt sich die gesamte Strecke von der Fußaufstandsfläche auf dem Boden zu den Femurköpfen erfassen, wobei beachtet werden muss, dass bei der absolut exakten Standlängendifferenzbestimmung eventuelle Fußlängs- und Quergewölbeabnormitäten per Fußabdruck erfasst und durch korrigierende orthopädische Einlagen ausgeglichen sein sollen (die Röntgenaufnahme erfolgt dann mit angezogenen Schuhen, in welchen sich die entsprechenden Einlagen befinden).
Durch diese Methode werden m. E. die genauestmöglichen Parameter für eine auswertbare Aussage objektivierter und reproduzierbarer Beinlängendifferenzbestimmung zur Verfügung gestellt!

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1.3.3 Ausgleich einer anatomischen Standlängendifferenz

Wurde eine Differenz der anatomisch-morphologischen Strecken zwischen der Standfläche und den Femurköpfen festgestellt, so erhält der Patient, wieder in Zusammenarbeit mit dem verordnenden Arzt, einen vorübergehenden Standlängenausgleich in Form einer Schuheinlage. Ein solcher Ausgleich sollte, bevor er endgültig beschafft wird, am betreffenden Patienten vier bis sechs Wochen lang erprobt werden, um eine Über- oder Unterkorrektur zu vermeiden. Dabei wird der betreffende Patient mehrmals bezüglich der Effizienz der Durchführung „seiner” individuellen Übungen aus dem Programm der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie, die auf die funktionelle Beckenstatik und die Funktion der LWS und BWS einwirken sollen, untersucht. Deckt sich nach dieser Zeit sowohl vom Therapeuten der manuell-funktionsorientierte wie auch der ärztliche – eventuell zusätzlich der neurologische und radiologische – Befund mit dem subjektiven positiven Empfinden des Patienten, so sollte der so eruierte endgültige Gesamtsohlenausgleich vom Arzt verordnet werden.
Es ist günstig, einen Sohlenausgleich herauszufinden, der dem Alter des Patienten bzw. dem zeitlichen Abstand der Ursache der Längendifferenz entspricht (die Frage ist dabei, ob diese seit Jugend, wachstumsbedingt, oder ab einem späteren Trauma besteht). Dadurch wird verhindert, dass bei älteren Patienten, deren ossäre Umstrukturierung besonders im Bereich der LWS als anatomische Kompensation berücksichtigt werden muss, nicht ein „Überausgleich" erfolgt bzw. beim Jugendlichen eventuell versuchsweise kurzzeitig ein Zusatzwachstumsreiz gesetzt werden kann.
Ein Beinlängen- bzw. Standlängendifferenzausgleich sollte, wie eingangs erwähnt, bereits ab einer anatomischen Längenabweichung von ca. 4 Millimetern erfolgen. Immer existieren Teilweise noch Ansichten, dass erst ab größeren Beinlängendifferenzen ein Ausgleich nötig sei, doch in heutiger Zeit werden immer mehr, auch von anderen Schulen bzw. Therapierichtungen, auch solche geringe Beinlängendifferenzen beachtet und ausgeglichen.
Es kann also nicht beim alten Menschen die gesamte Beinlängendifferenz ausgeglichen werden, im Gegensatz zum jungen oder dem im mittleren Alter stehenden. Von meiner Seite gemachte Erfahrungswerte liegen bei der Bestimmung des prozentualen und noch physiologischen Bein-/Standlängenausgleiches bei der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie vor <siehe nachfolgend 1.3.3.1>.

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1.3.3.1 Vorläufiger Probeausgleich einer anatomischen Standlängendifferenz

Dazu sollten zuerst normale Einlegesohlen bzw. leichte Formkeile in den betreffenden Schuh eingelegt werden, wobei im letzteren Fall die Winkelveränderung in dem Sprunggelenk des kürzeren Beines gegenüber dem Stand- und Belastungswinkel des längeren Beines wegen der kurzen Erprobungszeit nicht beachtet zu werden braucht <siehe 1.3.3.2>. Die Festlegung des therapeutisch sinnvollen patientenindividuellen Ausgleichs sollte, bei ständiger Überwachung der Beckenstatik, durch Ausprobieren der in Frage kommenden Ausgleichsstücke am Patienten unter Beachtung von dessen Reaktionen in Zusammenarbeit zwischen dem Therapeuten und dem Arzt gefunden werden.
Die Höhe des Ausgleichs einer anatomischen Standlängendifferenz lege ich nach Erfahrungswerten aus meiner Praxis mit der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie fest, die mir selbst jedoch nur Anhaltspunkte sind für ein altersentsprechendes Vorgehen (auch hier gilt: „Probieren geht über´s studieren").
Ein solcher provisorischer Ausgleich wird nur ca. 6 bis 8 Wochen beibehalten. In dieser Zeit muss der Patient die Einlagen immer und in jedem Schuh tragen und durch Übungen konsequent seine eventuell (meist) vorliegenden Beckenfehlstellungen in der Folge von Iliosakralgelenksfunktionen gegenstabilisieren. Nach dieser Zeit lässt sich feststellen, welche Erhöhung die für den jeweiligen Patienten die individuelle und somit optimal ist.

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1.3.3.2 Vorläufiger Probeausgleich einer anatomischen Standlängendifferenz beim Jugendlichen

Beim Jugendlichen kann zur Anregung eines verstärkten Wachstumsreizes eine vorübergehende Übererhöhung mit einem Gesamtausgleich von ca. 120% erfolgen, wodurch es zu einer höheren Druck- und Biegespannung in den Epiphysenbereichen des betreffenden Beines kommt mit der häufig berechtigten – und in der Praxis bestätigten – Hoffnung, durch den dadurch angeregten Stoffwechsel in Zeiten von Wachstumsphasen <siehe „Anatomisch-morphologische Betrachtung zum Gelenk unter 2.6"> ein vermehrtes Längenwachstum an diesem Bein zu provozieren.
Zusätzlich kann noch versucht werden, durch das Tragen eines Woll- oder Leinenstrumpfes während der Nachtruhe den Stoffwechsel dieses Beins anzuregen in Folge des veränderten elektrischen Feldes, des Wärmerückstaues und des mechanischen Hautreizes (nach überlieferten Erfahrungswerten einer österreichischen Kinderklinik), wie auch versuchsweise Elektro- und Magnetfeldtherapie zur Anwendung kommen kann (keine Ultraschallanwendung, da bei dieser vermutet wird, dass die Ultraschalleinwirkung die Kalzifizierung und damit die endgültige Aushärtung im Epihysenbereich fördern kann!).
Kommt es dann beim Jugendlichen längstens nach ca. 8 Wochen zu keinem vermehrten Längenwachstum am kürzeren Bein, so sollte die Übererhöhung abgenommen und auf einen lebenslänglichen 100%-Ausgleich bestanden werden!
In der maximal achtwöchigen Erprobungszeit des Längenausgleichs muss mindestens jede zweite Woche bei dieser Patientengruppe die Beinlängensituation nachgemessen werden um Überkorrekturen zu vermeiden, die sich vereinzelt, wenn auch in geringem Maße, in der Praxis auch zeigten!

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1.3.3.3 Endgültiger Ausgleich einer anatomischen Standlängendifferenz

Wichtig:
Der endgültige Bein- bzw. Standlängenausgleich sollte sich über den gesamten Sohlenbereich erstrecken, um eine, allerdings nur in der Bewegung relevante, muskulär-reaktiv auftretende Muskelkettenasymmetrie im Bein- und reaktiv damit im Wirbelsäulenbereich auszuschließen.

Eine Erhöhung nur im Fersenbereich bringt im Stand und bei Bewegung eine andere Fußwinkelstellung des betreffenden Fußes zum Unterschenkel als sie auf der Seite des nichterhöhten Beines bzw. Fußes besteht. Dabei kommt es zwar im Stand ohne Belastung zum gewünschten Längenausgleich, bei der Stehbelastung und beim Gehen oder Laufen führt dies jedoch zu einer völlig asymmetrischen Sprunggelenks- und Beinmuskelbelastung beiderseits im Seitenvergleich. Die Folgen können dann nicht nur eine Reihe von Fuß-, Knie- und Hüftgelenksbeschwerden sein, viel schlimmer noch ist die durch die Asymmetrie der Muskeldynamik der Beine und dadurch reflektorisch jener der gesamten Rumpf- und Rückenmuskulatur ausgelöste und initiierte Wirbelsäulenfehlbelastung und -haltung.
Es zeigte sich bei meinen transcutanen EMG-Messungen am M. errector spinae, dass bei einer einseitigen Dorsalextension des Fußes, vermehrt noch bei einer damit verbundenen Ober- und Unterschenkel-Innenrotation, es zu einer homolateralen Tonuserhöhung im lumbosakralen Bereich und kontralateral zu einer solchen Reaktion im Thoracolumbalbereich in diesem Muskelsystem kommt, wobei der Tonus auf den betreffenden Gegenseiten nicht in diesem Maße ansteigt.

Abb. 9
Bei Dorsalextensionsaktionen des Fußes wie auch bei Plantarflexionsanspannung kommt es zu entsprechenden Muskelkettenreaktionen, die sich entsprechend den farblichen Darstellungen bis hinauf zur Brustwirbelsäule elektromyografisch messen lassen.
Deshalb sollten beide Sprunggelenke bei Steh- und Gehaktionen in gleichen Winkeln agieren, d. h. auch, dass eine anatomische Beinlängendifferenz, die ja einseitig ausgeglichen werden muss, nicht durch eine Absatzerhöhung, sondern über eine durchgehende Sohlenerhöhung erfolgen sollte!

Auch lässt es sich auf diese Art nachweisen, dass es dazu analog konträr bei einer Plantarflexion der Fußes, vermehrt noch bei einer zusätzlichen Ober- und Unterschenkel-Außenrotation, zu einer kontralateralen Tonuserhöhung im Bereich von L4-Sakrum und homolateral zu einer solchen im Bereich von etwa Th10 - L3 in der autochtonen Rückenmuskulatur kommt, wobei die Muskelanspannung auf den Gegenseiten ebenfalls nicht im selben Maße dazu ansteigt (dieses Prinzip wird auch zur Korrektur asymmetrischer lateralflektorsicher Wirbelsäulenfehlhaltungen und -dysfunktionen seitens der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie eingesetzt).
Diese scheinbare Gesetzmäßigkeit sollte der Anlass dazu sein, erwähnten Ausgleich im gesamten Sohlenbereich, nicht nur im Absatz-Fersenbereich, vorzunehmen, da es sonst zu einer einseitigen Winkelabweichung der Sprunggelenke zueinander kommt und somit bei Beinbelastungsbewegungen in den beschriebenen Bereichen die erwähnten muskulären Dysbalancen die Folge sind!

  

 

Abb. 10
Da es, wie bereits erwähnt, bei Dorsalextensionsaktionen des Fußes wie auch bei Plantarflexionsanspannung zu entsprechenden Muskelkettenreaktionen kommt, die sich Brustwirbelsäule auswirken können, sollten beide Sprunggelenke bei Steh- und Gehaktionen in gleichen Winkelmaßen und aus diesen heraus sich bewegen, d. h. auch, dass eine anatomische Beinlängendifferenz, die ja einseitig ausgeglichen werden muss, nicht durch eine Absatzerhöhung, sondern über eine durchgehende Sohlenerhöhung erfolgen sollte!

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2 Funktionelle Standlängendifferenz

2.1 Pathophysiologie und Biomechanik der funktionellen Beinlängendifferenz

2.1.1 Funktioneller Verlängerung der Standlänge

Es wird die Strecke von der Basis des Os sacrum zur Standfläche des Fußes dysfunktionsbedingt größer und somit also im Vergleich zur Normalbeckenstellung auf dieser Seite im Verhältnis zur Neutral-Null-Stellung und zu jener der Gegenseite in der Funktion länger, auf welcher eine Iliosakralgelenks-Immobilität mit einer ligamentär fixierten Anteversionsstellung des seitengleichen Os coxae gegen das Os sacrum besteht durch die Verschiebung des Hüftgelenks mit dem Os ischii nach posterior-distal (inferior).
Bei einer Rotation des Os ilium gegen das Os sacrum im Iliosakralgelenk nach ventral wird das Hüftgelenk dabei also etwas nach dorsal-caudal zu seiner Neutral-Null-Stellung in der Lage zur Wirbelsäulenbasis verschoben — das Bein wird in seiner Funktionsstellung zur Becken- bzw. Wirbelsäulenbasis im Lageverhältnis zur Transversalebene „länger" <siehe dazu auch „Biomechanische Grundlagenbetrachtungen ...", Absatz 1.3.1.1>.

 

Abb. 11
Schema des rechten Os coxae in Neutral-Nullstellung gegen das Os sacrum und
Schema der Bewegungsmöglichkeit des rechten Os coxae um die vereinfacht betrachtete transversale Achse des Iliosakralgelenks in Anteversionsnutation [maximal möglich bis ca. 22°] gegen das Os sacrum und das nun sichtbare Os coxae der Gegenseite in dessen Neutral-Nullstellung in seinem Verhältnis zum Os sacrum.
Die Hüftgelenkspfanne des rechten Os coxae, das in die Anteversionsnutation gegen das Os sacrum sich bewegt wandert dabei in der Frontal- wie auch Sagittalebene immer mehr nach inferior bzw. nach distal  in Beziehung zur Kreuzbeinbasis = Ursache für eine funktionelle Verlängerung der proximalen Beinauflage der Strecke vom Hüftgelenk zum Kreuzbein und somit zum gesamten Becken (funktionelle „Beinverlängerung") im Gegensatz zum Stehenden der Gegenseite.

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2.1.2 Funktioneller Verkürzung der Standlänge

Die Strecke von der Basis des Os sacrum zur Standfläche des Fußes wird bei einer Iliosakralgelenks-Dysfunktion geringer und somit also im Vergleich zur Normalbeckenstellung auf der Seite im Verhältnis zur Neutral-Null-Stellung und zu jener der Gegenseite kürzer, auf der eine Iliosakralgelenks-Immobilität in einer ligamentär fixierten Retroversionsstellung des seitengleichen Os coxae gegen das Os sacrum besteht. Dies ist bedingt durch die Verschiebung des Os ischii und der Hüftgelenke nach anterior-proximal (superior). Rotiert also ein Os coxae um die Transversalachse gegen das Os sacrum im Iliosakralgelenk nach dorsal, so wird die Hüftgelenkspfanne mit dem Os ischii etwas nach ventral-cranial gegenüber seiner Neutral-Null-Stellung verlagert und somit in der Funktion zur Kreuzbeinbasis in bezug zur Frontalebene „kürzer" <siehe dazu auch „Biomechanische Grundlagenbetrachtungen ...", Absatz 1.3.1.2>.

 

Abb. 12
Schema des rechten Os coxae in Neutral-Nullstellung gegen das Os sacrum und
Schema der Bewegungsmöglichkeit des rechten Os coxae um die vereinfacht betrachtete transversale Achse des Iliosakralgelenks in Retroversionsnutation [maximal möglich bis ca. 22°] gegen das Os sacrum und das Os coxae der Gegenseite.
Die Hüftgelenkspfanne des Os coxae, das in die Retroversionsnutation gegen das Os sacrum sich bewegt wandert dabei anterior und in der Frontal- wie auch Sagittalebene immer mehr nach superior bzw. nach proximal in Beziehung zur Kreuzbeinbasis = Ursache für eine funktionelle Verkürzung der proximalen Beinauflage der Strecke vom Hüftgelenk zum Kreuzbein und somit zum gesamten Becken (funktionelle „Beinverkürzung") im Gegensatz zum Stehenden der Gegenseite.

 

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2.2 Schmerzsymptomatik bei der funktionellen Beinlängendifferenz

Beim Bestehen einer funktionellen Beinlängendifferenz kommt es, bezogen auf die unteren Extremitäten, zu den gleichen peripheren Überlastungssymptomen, wie diese unter 1.2 für die anatomische Beinlängendifferenz beschrieben wurden.

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2.3 Befundung einer funktionellen Beinlängendifferenz

Wurde eine funktionelle Beckenfehlstellung durch eine einseitige Iliosakralgelenks-Immobilität in einem der möglichen Endbewegungsräume im Iliosakralgelenk um die Transversalachse – oder eine beidseitige Immobilität dieser Gelenke in den jeweils entgegengesetzten Torsionsendbewegungsräumen – befundet, so kann davon ausgegangen werden, dass durch die Abweichung des betreffenden Hüftgelenks von dessen Neutral-Null-Stellung dessen Achsen in deren bezug zur Kreuzbeinbasis nach superior bzw. inferior verschoben sind und deshalb eine funktionelle Beinlängendifferenz vorliegt. Ein Messbefund ist in einem solchen Fall für die Therapie unerheblich, wird dieser jedoch trotzdem ausgeführt, so kommt es zu folgenden Messergebnissen:

2.3.1 Messbefundung einer funktionellen Beinlängendifferenz bei einer Iliosakralgelenks-Immobilität mit Anteversionsstellung des betreffenden Os coxae zu dessen Neutral-Null-Stellung

Bei der Messung vom Becken zu den medialen Malleolen (Übersichtsmessung/Messung B <siehe 1.3.2.2>) erscheint das Bein auf jener Seite in der Funktion länger im Vergleich zur vorläufigen Übersichtsmessung (Messung A <siehe 1.3.2.1>), auf welcher eine Iliosakralgelenks-Immobilität mit einer ligamentär fixierten Anteversionsstellung des seitengleichen Os coxae gegen das Os sacrum besteht durch die Verschiebung des betreffenden Hüftgelenks nach posterior-distal <siehe auch 2.1.1 und Abb. 11>.

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2.3.2 Messbefundung einer funktionellen Beinlängendifferenz bei einer Iliosakralgelenks-Immobilität mit Retroversionsstellung des betreffenden Os coxae zu dessen Neutral-Null-Stellung

Bei der Messung vom Becken zu den Fußinnenknöcheln (Übersichtsmessung/Messung B <siehe 1.3.2.2>) scheint auf der Seite das Bein zum Becken in der Funktion kürzer im Vergleich zur vorläufigen Übersichtsmessung (Messung A <siehe 1.3.2.1>), auf welcher eine Iliosakralgelenks-Immobilität in einer ligamentär fixierten Retroversionsstellung des seitengleichen Os coxae gegen das Os sacrum besteht durch die Verschiebung der Hüftgelenksmittelachse nach anterior-superior <siehe auch 2.1.2 und Abb. 12>.

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2.3.3 Röntgenbefundung einer funktionellen Beinlängendifferenz

Bei einer a.-p.-Röntgenaufnahme mit stark aufgerichtetem Becken unter den Voraussetzungen, wie diese unter 1.3.2.4 bei der Messung C bereits beschrieben wurden, zeigt sich die Längendiskrepanz auf beiden Seiten der Strecken zwischen einer anatomischen Beinlängendifferenz (Messung von den Femurköpfen zur Röntgenbildunterkante) zu den Strecken des jeweils superioren und inferioren Anteils der Crista iliaca posterior und/oder dem Cornu superior sacri — ebenfalls im Bezug zur Bildunterkante.
Auch hier zeigt sich die angegebene Strecke vom Sakrum bzw. den Ossa ilii im Verhältnis zu der Strecke der Femurköpfe jeweils zur Bildunterkante länger, auf welcher eine Iliosakralgelenks-Immobilität in einer ligamentär fixierten Anteversionsstellung des seitengleichen Os coxae gegen das Os sacrum besteht bzw. kürzer auf der Seite, auf der die Immobilität eines solchen Gelenkes mit einer fixierten Retroversionsstellung des seitengleichen Os coxae gegen das Os sacrum vorliegt.

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2.3.4 Ausgleich - Therapie einer funktionellen Beinlängendifferenz

Natürlich darf bei einer solchen variablen Beinlängendifferenz kein Ausgleich durch prothetische Vergrößerung (Sohlenerhöhung) der Strecke Standfläche-Becken am funktionell kürzeren Bein erfolgen, wie dies als Maßnahme bei einer anatomischen Standlängendifferenz unter 1.3.3 beschrieben wurde.

Eine funktionelle Beinlängendifferenz ist durch befundspezifische Mobilisationen unter gleichzeitiger andauernder Automobilisation des Patienten mit den ihm gelehrten Übungen behebbar.

Das Vorgehen dazu ist Grundkursthema bei den Kursen zur Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie <siehe dazu „Kursinformationen" 1.1 Grundkurs und „Kurstermine" Grundkurs>.
 

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