Biomechanik - Gelenkbewegungslehre

 

1        Arthrokinematik
1.1     Anguläre Bewegungen
1.2     Anatomische einfache Bewegungen
1.3     Funktionelle zusammengesetzte Bewegungen
1.3.1  Gekoppelte Bewegungen
1.3.2  Nichtgekoppelte Bewegungen

2        Osteokinematik
2.1     Rotation
2.2     Translation

3        Gelenkbewegungen
3.1     Gleiten als Gelenkbewegung
3.1.1  Gleiten bei Rotation
3.1.2  Gleiten bei Translation
3.2     Rollen bei Gelenkbewegungen
3.3     Gelenkbewegungen in vivo - Rollgleiten


1 Arthrokinematik

In der Knochen- und Gelenksbewegungslehre gibt es generelle und spezifische Bewegungen, die in Rotationen und Translationen unterteilt werden. Entsprechend der Anzahl der Knochen (Wirbel) bzw. Gelenke, die an einer Bewegung beteiligt sind, wird dabei unterschieden zwischen generellen Bewegungen mehrerer Knochen oder Extremitätengelenke wie z. B. Handgelenk, Ellenbogengelenk, mehrere Wirbelknochen oder Wirbelsäulenbewegungssegmente an der jeweiligen Bewegung, egal ob diese aktiv oder werden passiv bewegt werden;
spezifischen Bewegungen, bei denen nur ein Knochen oder ein Extremitätengelenk, z. B. zwischen dem Os lunatum und dem Radius (Humero-Ulnargelenk) oder nur ein Wirbelknochen oder Wirbelsäulenbewegungssegment bewegt wird (spezifische Bewegungen sind an der Wirbelsäule nur passiv möglich und das auch nur mehr oder weniger theoretisch).

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1.1 Anguläre Bewegungen

Bei einer solchen Rotationsbewegung dreht sich der betreffende Knochen im Raum um die jeweilige Gelenkachse bzw. um eine Vielzahl momentan möglicher Drehachsen und bildet dabei zu einem anderen Knochen einen sich verändernden Winkel. Dies sind diejenigen Bewegungen, die der Mensch am meisten allgemein aktiv und passiv ausführt, weshalb diese Bewegungen auch als physiologische Bewegungen bezeichnet werden.
Es können um drei Achsen in drei anatomischen Ebenen insgesamt sechs Rotationsbewegungen ausgeführt werden, und zwar zwei in der Sagittalebene um eine Transversal- bzw. Frontalachse als Ventral-/Dorsalflexion, zwei in der Frontalebene um eine Sagittalachse als Lateralflexion nach beiden möglichen Seiten oder als Abduktion/Adduktion und
zwei in der Horizontalebene um eine Vertikalachse als Rotation nach beiden möglichen Seiten als Innenrotation/Außenrotation.
Rotationen werden in anatomische einfache und funktionell zusammengesetzte Bewegungen unterteilt.

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1.2 Anatomische einfache Bewegungen

Die anatomischen oder einfachen Bewegungen finden in einer anatomischen Ebene in Form einer Rotation um eine Achse bzw. in einer Gruppe momentaner Drehachsen statt wie z. B. um die betreffende/n Flexions-/Extensionsachse/n und werden auch einfache bzw. einachsige Bewegungen genannt.
Einfache Bewegungen werden ausgeführt als reine Flexion/Extension, Abduktion/Adduktion und Lateralflexion sowie als Innen-/Außenrotation bzw. Rotation nach den jeweils beiden möglichen Seiten. Anatomische oder einfache Bewegungen werden bei der Neutral-Null-Methode zur Gelenkmessung verwandt.

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1.3 Funktionelle zusammengesetzte Bewegungen

Funktionelle oder zusammengesetzte Bewegungen finden in mehreren anatomischen Ebenen um mehrere Achsen, auch um mehrere Gruppen momentaner Drehachsen, statt und werden auch zusammengesetzte mehrachsige Bewegungen genannt. Sie sind Bewegungen, wie sie im Alltag und in vielen Behandlungsmethoden, wie beispielsweise in der PNF, der FBL oder der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie, ausgeführt werden.

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1.3.1 Gekoppelte Bewegungen

Bestimmte Bewegungskombinationen der Gelenke - z. B. bei der Knieextension mit Außenrotation oder im Bereich der Wirbelsäule die untere Halswirbelsäulen-Lateralflexion bei gleichsinniger Rotation - laufen durch die Form der Gelenkflächen und der Spannung der periartikulären Strukturen automatisiert ab und werden deshalb auch als gekoppelte Bewegungen benannt. So ist an der Wirbelsäule die Lateralflexion immer an eine Rotation gekoppelt.

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1.3.2 Nichtgekoppelte Bewegungen

Bewegungskombinationen, welche an den Gelenken - z. B. bei einer Knieextension mit Innenrotation und an den Wirbelgelenken bei der unteren Halswirbelsäulen-Lateralflexion mit gegensinniger Rotation - nicht in größerem Ausmaß möglich sind, werden als nichtgekoppelte Bewegungen bezeichnet, bei denen die Rotation in die entgegengesetzte Richtung als bei der gekoppelten Bewegung läuft (früher kombinierte Bewegungen genannt).

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2 Osteokinematik

Knochenbewegungen beziehen sich auf die Bewegungen des Knochens gegen seinen Partner im geometrischen Gelenk bzw. im Raum.

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2.1 Rotation

Die Rotation verläuft als Bewegung um eine Achse.
Aktive und passive Knochenbewegungen um eine Achse - anguläre Bewegungen - sind Rotationen, wobei diese nur auf die jeweiligen Knochenbewegungen in den betreffenden Gelenksachen zutreffen. Die anguläre Bewegung kommt bei der Manuellen Therapie nicht, bei der Extremitätengelenks- und -mobilisationstherapie in der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie nur wenig zum Einsatz, allenfalls nach einer Translationsmobilisation.

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2.2 Translation

Eine Translation ist die geradlinige Bewegung von Körpern in nur einer Richtung, bei der alle Punkte des Körpers auf parallelen Geraden in der selben Richtung um gleichlange Strecken verschoben werden.
Wenn die Beweglichkeit in einem Gelenk durch verkürzte periartikuläre Gewebe eingeschränkt ist (z. B. durch die Gelenkkapsel) und wenn dann die Muskelzüge (bzw. die am langen Knochenhebel ansetzende Hand des Therapeuten) versuchen, den Knochen weiterzubewegen, so entsteht auf der einen Seite der Gelenkpartner ein Klaffen und auf der anderen eine Kompression [JORDAN 1963]. Letztere kann, da punktuell, sehr groß sein. Beim Mobilisieren von Gelenken sollte zum Schutz der Gelenkstrukturen das Kanten der Gelenkflächen vermieden werden. Das gebogene Gleiten, das bei rotatorischen, physiologischen Bewegungen in den Gelenken stattfindet, ist sehr schwer am Gelenk von extern manuell-passiv auszuführen, ohne die punktuelle Kompression und das Klaffen zu provozieren. Um Klaffen und Kompression beim Mobilisieren mit rotatorischen Bewegungen zu vermeiden, hat KALTENBORN die translatorische = geradlinige - arthrokinematische Mobilisation der Gelenkpartner eingeführt. In der gesamten Manuellen Therapie der Extremitätengelenke, also auch bei der Extremitätengelenks- und -mobilisationstherapie der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie, werden aus diesem Grund die Knochen zur kapselschonenden Mobilisation in dieser linear-traktionellen Art bewegt als passives Verfahren, wobei bei den Translationen unterschieden wird zwischen der Traktion, der Translationstraktion, und einer Parallelverschiebung, der Transversotranslation.

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3 Gelenkbewegungen

Die Gelenkbewegung ist eine innerhalb der Gelenkkapsel auf zwei Gelenkflächen bezogene Bewegung im Gelenk als Bewegung von Gleiten und/oder Rollen.

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3.1 Gleiten als Gelenkbewegung

Gleiten findet zwischen zwei Gelenkkörperflächen statt, wobei ein Punkt auf dem einen Körper mit neuen Punkten auf dem anderen Körper in Verbindung tritt. Sind die beiden Körper kongruent, findet nur Gleiten statt.

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3.1.1 Gleiten bei Rotation

irotat.gif (134384 Byte)

 

Rotiert ein runder Körper um seine Achse, so kommt es dadurch zwischen den beiden Körpern mit kongruenten Oberflächen zum Gleiten. 

 

 

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3.1.2 Gleiten bei Translation

Führt ein Körper eine Translation aus, so findet zwischen diesem und seinem Partner mit kongruenter Oberfläche nur das Gleiten statt.
In der Manuellen Therapie wird ein solches paralleles geradliniges Gleiten als translatorisches GIeiten bezeichnet. Ein solches, in der Praxis sehr kurzstreckiges Gleiten zwischen inkongruenten Gelenkkörpern, kommt dann vor, wenn ein Knochen gegen seinen fixierten Partner passiv translatorisch bewegt wird - häufigste Mobilisationstechnik bei der Extremitätengelenks- und -mobilisationstherapie in der Dynamischen Wirbelsäulen-Therapie. 

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3.2 Rollen bei Gelenkbewegungen

Zwischen zwei Körpern mit inkongruenten Oberflächen läuft das Rollen als Gegenbewegung statt, wobei sich immer andere Punkte auf dem einen Körper mit anderen auf dem Partnerkörper gegenüberstehen. Ein konvexer wie auch ein konkaver Körper kann gegen seinen Partner rollen.

 

Erfolgt in einem menschlichen Gelenk nur Rollen, so findet eine Raum- bzw. Gewebskompression der Gelenkseite, auf welcher die räumliche Annäherung der artikulierenden Partner abläuft, statt und analog dazu eine Traktion auf der anderen Seite.

 

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3.3 Gelenkbewegungen in vivo - Rollgleiten

Die Flächen menschlicher Gelenke sind niemals vollständig kongruent, deshalb findet dort bei allen aktiven und passiven angulären Knochenbewegungen ein Rollen oder Gleiten nie isoliert für sich statt, sondern immer als Kombination von Rollen und Gleiten eines Knochens in dem betreffenden anatomischen Gelenk als physiologische Komplexbewegung zwischen den betreffenden beiden Gelenkkörpern mit inkongruenten Oberflächen. Durch diese Rollgleitbewegung wird eine einseitige Kompression bzw. Distraktion von Kapselgewebe verhindert und auch der weitestgehend gleichbleibende Abstand beider Gelenkflächen zueinander gewährleistet - die Rollkomponente bei der Gelenkbewegung findet also nie isoliert für sich alleine statt, da dies zu einer Luxation oder einer Kompression führen würde. Je mehr eine Gelenkfläche kongruent ist, desto mehr Gleiten findet zu ihrer Partnerfläche hin statt, je inkongruenter sie ist, desto mehr läuft das Rollen zueinander ab.

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